Die wichtigste Beziehung in deinem Leben

in #deutsch7 years ago

Das klingt jetzt vielleicht narzisstisch, aber der wichtigste Mensch in meinem Leben bin ich.

Es hat Jahre, gut eher Jahrzehnte gedauert, an diesen Punkt zu kommen.
Als Kind fühlte ich mich wertlos, so unnötig wie Dreck auf der Straße und bis heute kämpfe ich mit meinem Selbstwert.

Ich war 24 Jahre alt, als meine Traumtherapeutin mir gegenüber saß und einen Satz sagte, der langfristig mein Leben veränderte.

Stellt euch die Situation vor.
Ich war im 2. Jahr meiner Ausbildung und am Ende. Ich fand nicht mehr die Kraft aufzustehen und zur Arbeit zu gehen. Oft weinte ich nächtelang und morgens war mir schlecht vor Angst. Ich igelte mich ein, ließ niemanden an mich ran. Vermied Kontakte zu guten Freunden und redete mit keinem. Es gab nur noch Essen, mein Bett und die Welt der Onlinespiele.

Irgendwann wurde mir bewusst, dass mein Leben gerade auf den Abgrund zusteuerte und ich so auf keinen Fall weiter machen konnte.
Ich sehe die Situation noch genau vor mir. Es war ein kalter Novemberabend, dunkel und regnerisch. Ich war auf dem Heimweg von einem fürchterlichen Arbeitstag und telefonierte Traumtherapeuten ab. Die meisten wollten mich nicht nehmen. Die Thematik sei nicht ihr Fachgebiet, zu arbeitsintensiv sie hätten leider keine Kapazität, zu lange Wartezeiten. Irgendwann aber fand ich sie, die Frau, die zu mir passte. Sie wollte mich begleiten und hatte Zeit.

Sie schrieb mich sofort krank und ich begann mit einer intensiven ambulanten Therapie, 3 mal die Woche 40 Minuten. Eines Tages saß ich ihr gegenüber im Stuhl und sie sagte in etwa.

»Lieben sie sich selbst?«

Ich war schockiert, irgendwie angewidert und total verunsichert. Mich selber lieben ... auf keinen Fall. Wir sprachen sehr lange darüber, wie wichtig dieser Aspekt ist. Ich konnte nicht wirklich verstehen, was sie von mir wollte. Ich wusste gar nicht, wie das gehen sollte, mich selber lieben. Allein dieser Gedanke war dermaßen abwegig, wirklich absurd.

Ich bekam die Aufgabe, 1 mal in der Woche etwas Gutes für mich zu tun, aber kein Essen.

Ihr könnt euch das vielleicht nicht vorstellen, aber das fühlte sich für mich wirklich extrem überfordernd an. Etwas für mich tun, etwas Gutes. Wenn ich schon nur daran dachte, wurde in mir der Widerstand wach..

Dieser Gedanke, du solltest dich selber lieben Rachel, der nagt jetzt tief in mir und ließ mich nicht mehr los.

Die Arbeit an diesem Prozess hält bis heute an, Selbstliebe und die damit verbundene Akzeptanz all meiner Seiten, fällt mir schwer. Gut, ehrlich gesagt, liebe ich nicht alles an mir. Es wäre gelogen, wenn ich das schreiben würde.

ABER der springende Punkt ist, ich liebe mich. Ich stehe mir nahe, ich wertschätze mich und es gibt viele Sachen, die ich gut an mir finde und an denen die mir weniger gefallen arbeite ich stetig. Nicht mit Zorn, nicht mit Verachtung, sondern liebevoll.

Es geht nicht darum, die größte Egosau auf Erden zu werden. Schon in der Bibel steht geschrieben, liebe deinen Nächsten wie dich selbst!

Wie du dich selber siehst, wie gütig und liebevoll du mit dir umgehst, formt deinen Umgang mit der Welt. Sprichst du voller liebe mit dir, warmherzig und fürsorglich, wirst du auch so mit deinem Partner, deinen Eltern und deinen Kindern umgehen.

Die liebe zu uns selbst ist unser Kostbarstes gut und nur, wenn ich voll bei mir bin, bin ich auch voll in meiner Kraft und nur, wenn ich voll in meiner Kraft bin, kann ich das größte Geschenk für die Welt sein.

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(Bildquelle Pixabay CC0 Lizenz)

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Das ist nicht narzistisch. Gar nicht. Selbstfürsorge bzw. sich selbst so zu akzeptieren, dass man sich mag und in den Spiegel schauen kann, ist ein langer Weg. Gerade, wenn eben die Grundlagen dafür gar nicht wie selbstverständlich da waren bzw. sind. Dann wird es fast schon harte Arbeit. Es ist leichter , sich zu hassen und abzuwerten als sich selber mal zu sagen : Ich mag mich so wie ich bin.

Deine Postings können aber ganz vielen Menschen hier bzw. ggf. auch ausserhalb der Steem-Welt Mut machen, sich diesem Weg zu stellen. Sich aufzumachen und dann die richtige Stelle zu finden, wo man begleitet wird. Leider ist das Losgehen schon der schwierigste Teil bzw. dann eben die gute Therapeuten-Seele zu finden, die zu einem passt.

Danke :)
Ja es ist definitiv Arbeit und keine einfache aber es ist jeden Schritt wert.
Genau das ist meine Hoffnung, dass ich Menschen inspirieren kann, los zu gehen und sich zu heilen.

Meine persönliche Erfahrung ist, dass eigentlich nur Menschen wie Du, die auch sehr schwierige Situationen erlebt haben, diese Fähigkeit zum Aufrütteln und authentischem Begleiten wirklich glaubhaft vermitteln können. Ich selber sehe mich als Therapeut ja eher wie eine Art Lotse. Ich begleite, ich weise vielleicht auf mögliche Häfen und Zwischenziele hin. Ich lege aber nicht fest, in welcher Geschwindigkeit das passiert. Bei Abweichungen vom Kurs weise ich da auch mal drauf hin. Los gehen und den eigenen Rhythmus finden, kann man nur selber. Sonst wird es eine neue Art von Grenzüberschreitung bzw. Gewalt. Genau das, was die meisten meiner Klienten ganz und gar nicht noch einmal erleben wollen und dürfen. Deshalb finde ich deine Berichte so mutig, aber auch so wichtig.

Sich selbst zu erkennen und zu akzeptieren ist schon eine Kunst. Sich dann noch klar zu machen das man selbst die wichtigste Person ist, schon fast ein Husarenstück. Aber es ist unabdingbar das man zu diesem Punkt kommen muss, weil erst ab dann kann man auch andere Menschen wertschätzen und verstehen.
Nicht nur oberflächlich, sondern wahrhaft.

Hehe ja, geht mir auch so. Seh ich genau so wie du, schön das du deine Gedanken mit uns teilst.

Und wieder so ein toller Post von dir... danke für diesen Einblick und die Worte !

Danke :) Freut mich, wenn du etwas mitnehmen kannst.

Wenn jeder an sich selber denkt, ist an jeden gedacht !!!
Es ist ausschlaggebend wie man über sich selber denkt. Das hat was mit Resonanzen zu tun. Ich will damit sagen das es eine direkte Wirkung auf dich hat, wie du über dich denkst. Trotzdem würde ich nicht unterschätzen das ebenso, natürlich abhängig von deinem Selbstbewusstsein, auch das Außen und dein Weltbild einen maßgäblichen Einfluss auf dein Selbst-Verständniss hat.
Gruß Montaquila

Toller Spruch und so wahr!
Das hängt ja alles zusammen. Dein Umfeld als Kind formt dein Selbstbild und wie du dich siehst in der Welt. Und später formst du mit deinem Selbstbild wie andere dich erleben.

Ich finds gut das du dich jetzt liebst und du die Aufgaben die dir die Therapeutin gab durchgezogen hast auch wenn sie dir nicht einfach gefallen waren. Jetzt gehst du sicher auch lockerer durch die Welt und und auch der Alltag fühlt sich so weniger überfordernt an wenn man sich immer wieder mal was gönnt.
Was hast du für Online Spiel so gespielt in dieser Zeit? :)

Danke und ja, is super wichtig und zumindest für mich eine Lebensaufgabe. Gewisse Dinge in der Kindheit können dich da offenbar so erschüttern das du sehr lange damit arbeiten darfst.
Oh allerhand, Last Chaos, World of Warcraft, FinalFantasy 15, alles mögliche aber auch Minecraft oder 7daystodie...allesmögliche, hauptsache ich konnte die Realität vergessen.

Interessant hab auch ne Zeit lang sehr oft online gezockt und bin dann auch immer wie mehr von der realen Welt abgedriftet. Ich zockte 4story ist ähnlich wie World of Warcraft aber obwohl das Spiel gratis war zahlte ich so viel für das Spiel weil ich immer bessere Rüstung haben wollte und ich dafür mit echt Geld zahlen musste. Praktisch mein ganzes Konfirmations Geld das ich von den Verwandten bekommen habe, hatte ich für das doofe Spiel ausgegeben anstatt mir etwas schönes zu kaufen.

Vielen DANK Rachel für deine offenen Worte - dazu bedarf es viel Mut!
Sich selbst zu lieben ist so wichtig und leider tun es nicht alle. Du zetierst die Bibel "liebe deinen Nächsten wie dich selbst!" - Da steht nicht: "Liebe deinen Nächsten mehr als dich selbst". Ich glaube, dass nur wenn man sich selbst liebt, ist man in der Lage andere zu lieben und nur wenn ich dafür sorge, dass es mir gut geht, habe ich die Kraft für andere da zu sein. Daher ist es überhaupt nicht Egoistisch oder narzisstisch zu sagen "die wichtigste Person in meinem Leben bin ich". Man selbst ist die einzige Person im Leben, die man jeden Augenblick des Lebens ertragen muss, wäre doch schön, wenn man diese Person auch liebt!

Vielen DANK nochmals für deine Offenheit - ich glaube, dass es ganz vielen Menschen so geht...

Gern geschehen. Ich glaube auch das wir andere nur so lieben können, wie wir uns lieben. Drum ist mir das Thema so wichtig.

Das war wieder einmal ein ganz toller Post. Ich bewundere Deine Art, so offen über Dich und Deine Erfahrungen zu sprechen.

Danke :) Ich hoffe das jemand etwas für sich mitnehmen kann.

Ja, man spürt, dass Du etwas in Menschen bewegen willst. :-)

Das ist ja auch die Grundvoraussetzung für Liebe, sich selbst zu lieben. Wie kannman andere lieben, wenn man sich selbst nicht mag?

"Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst."
(MK 12, 31)

Ja das sehe ich genauso!
Ich teile meinen Weg weil ich merke, wie wenig wir darüber lernen und wie viele sich darin nicht wieder finden.

Hey du^^ Ich hab gerade gemerkt, dass ich dir nicht mehr folge, also jetzt schon wieder, aber vorher nicht mehr und hab kA warum... ich muss wohl versehentlich draufgekommen sein. Jetzt wird mir auch klar, warum ich dein Posts nicht mehr gesehen hab.

Hoffe es geht dir/euch gut und wünsche ein gutes neues Jahr und vor allem Gesundheit! (bis zum. 6.1. gilts ja noch :-)

Kein Ding, hoffe du hattest einen guten Rutsch ins neue Jahr.
Liebe Grüsse

Ich hatte viel Freude und auch viele Gedanken beim lesen - Danke!