Postmodernismus erklärt: Skeptizismus und Sozialismus von Rousseau bis Foucault - Teil 30v100

in #deutsch7 years ago (edited)

Das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks setzt sich kritisch mit dem Postmodernismus auseinander und liefert eine Erklärung für dessen Funktionsweise. Als Leitkultur westlicher Kulturen wird der Postmodernismus von vielen Intellektuellen, Akademikern, Künstlern und Politikern vehement unterstützt. Gleichzeitig zeigen sich aber auch in Deutschland immer mehr die negativen Auswirkungen dieses Systems philosophischer - oder sich philosophisch gebender - Axiome, weshalb es von größter Bedeutung ist, den Postmodernismus in seinen Eigenschaften und in seiner Tragweite zu verstehen. Die Vorlage ist das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks, die Übersetzung ein Eigenprodukt.

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#Positivismus und analytische Philosophie: Von Europa nach Amerika

Bislang hat sich die Übersicht der epistemologischen Ursprünge des Postmodernismus auf die deutschen philosophischen Entwicklungen konzentriert. Diese Entwicklungen machen auch den größten Teil des Hintergrundes des Postmodernismus aus. Wer im Europa der Mitte des 20. Jahrhunderts ein philosophisch ausgebildeter Intllektueller war, der wurde vor allem mit Kant, Hegel, Marx, Nietzsche und Heidegger ausgebildet. Diese Denker bilden den philosophischen Rahmen der europäischen Intellektuellendebatte und dieser Rahmen ist hauptverantwortlich für das Aufkommen des Postmodernismus. Beliebe es jedoch bei dieser Aufnahme der Entwicklungsgeschichte des Postmodernismus, dann wäre sie unvollständig. Die Bastionen des Postmodernismus finden sich nämlich in den Geisteswissenschaften Amerikas und nicht Europas. Rorty etwa ist Amerikaner und auch wenn Foucault, Derrida und Lyotard Franzosen sind, so haben sie bei weitem mehr Anhänger in Amerika als in Frankreich oder Europa. Diese Lücke gilt es mit einer Erklärung zu füllen. Wie konnte es also sein, dass die Tradition der Gegenaufklärung in der englischsprachigen Welt und vor allem in Nordamerika so erfolgreich werden konnte?

Die Lücke ist intellektuell größer als sie es geografisch ist. Lange Zeit hatte die amerikanische Geisteswissenschaft nur wenig übrig für Hegel, Kierkegaard und Nietzsche. Die anglo-amerikanische Tradition sah sich eher als Verteidigerin der Aufklärung. Sie hat sich auf die Seite der Naturwissenschaften geschlagen, auf die der Strenge, mit Vernunft und mit Objektivität - und sie lehnte mit Verachtung Hegels spekulative Umtriebe und Kierkegaards Wallungen ab. Sie war zutiefst beeindruckt von der Naturwissenschaft und war überzeugt, dass diese taugt als eine Alternative zur inzwischen diskreditierten religiösen und spekulativen Philosophie. Sie wollte die Philosophie wissenschaftlich machen und damit die Wurzeln der Wissenschaft überhaupt erklären. Dieses positivistische Geist-zu-Wissenschaft beherrschte die logikdominierte anglo-amerikanische Intellektuellenwelt des 19. und 20. Jahrhunderts.

Doch dann brach der positivstische Geist der anglo-amerikanischen Philosophie zusammen, was später zu einem Teil den Aufstieg des Postmodernismus begünstigte.

So stark die Traditionen der Aufklärung in Amerika und Großbritannien ausgeprägt waren, sie waren nie ausschliessliche Inseln der Aufklärung. Europäische und vor allem deutsche philosophische Einflüsse begannen sich schon bald nach der französischen Revolution bemerkbar zu machen. Vor allem die englischen Romantiker waren es, die sich in Deutschland nach philosophischer und literarischer Inspiration suchten. Samuel Taylor Colridge und William Wordsworth etwa verbrachten zu diesem Zweck Zeit in Deutschland. Wordsworth berühmte Zeilen zeigen den aufklärungsfeindlichen Trend auf:

Unser umtriebiger Geist
Fehldeutet die wahre Form der Dinge nur;
Wir morden wenn wir sie sezieren.

Ganz ähnlich klingt es bei John Keats:

Zerfällt nicht jede Freude
Beim Kontakt mit kalter Philosophie?

Die vielleicht klarsten prosaischen Worte findet Thomas de Quincey für das, was die englischen Romantiker bei der deutschen Philosophie aufgeschnappt haben:

Hier halte ich für einen Moment inne, um den Leser zu ermahnen, der nichts seine Aufmerksamkeit schenkt, das seinem Verständnis im Geiste in irgendeiner Weise entgegensteht. Das reine Verstehen, egal wie nützlich und unverzichtbar es auch sein mag, ist das schlechteste Mittel des menschlichen Geistes und es ist zum überwiegenden Teil unzuverlässig; und doch vertraut die große Mehrheit der Menschen nichts anderem - was für ein gewöhnliches Leben ausreichen mag, aber nicht für philosophische Zwecke.

Deutschlands wichtiger werdende Rolle lässt sich auch an der Beliebtheit von Germaine de Staëls Deutschland (1813) ablesen, einem Buch, das in der französischen, englischen und amerikanischen Intellektuellenszene bleibenden Eindruck hinterließ.

In den Vereinigten Staaten inspirierte Madame de Staëls Buch viele angehende Intellektuelle dazu, die deutsche Sprache und Literatur zu studieren. Darunter war auch der junge Ralph Waldo Emerson, der später zu Amerkias führenden Litraten werden sollte. Neben der immer größer werdenden Beliebtheit der Bücher gingen ab den 1810er und 1820er Jahren auch immer mehr junge Intellektuelle für ein Studium nach Deutschland. Darunter waren sehr viele, die später das amerikanische Intellektuellenleben prägen sollten. Edward Everett war einer von Emersons Professoren in Harvard. Ralphs Bruder William studierte in Heidelberg die neuen von Schleiermacher und Hegel inspirierten theologischen Ansätze und die biblische Kritik. George Ticknor wurde später in Harvard Professor für Bellerisik. Und George Bancroft, der "Vater der amerikanischen Geschichte", besuchte mehrere deutsche Universitäten, darunter auch Hegels Vorlesungen in Berlin.

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