Der König, die Banken und die Schule von Salamanca
("Kreditexpansion ist Opium für's Volk" Jesus Huerta de Soto, gefunden über Google)
Das moderne (Kredit-)Geldsystem erscheint sehr komplex, kompliziert und schwer durchschaubar. Das stimmt durchaus auch, wie jeder weiss, der mal versucht hat zu verstehen, was die diversen Swap-Line-Vereinbarungen zwischen der FED und den restlichen Notenbanken der Welt genau bedeuten oder auch nur, was die FED eigentlich genau für Zinsen erhöht oder senkt und inwiefern das überhaupt stimmt, dass die FED da etwas steuert (oder ob sie nicht viel eher dem Markt folgt).
Ich behaupte, dass ich mich recht intensiv mit der Materie beschäftigt habe und ich bin dennoch auch immer wieder von Nobelpreisträgern eingeschüchtert, weil die ja eigentlich wissen sollten wovon sie reden. Es verwirrt mich immer wieder, wenn ich den Eindruck bekomme, dass die Herrschaften schon bei den Definitionen von Begriffen wie "Cash" oder "Geld" oder besonders "Kredit" gänzlich andere Dinge verstehen, als ich. Wenn ich mit Freunden und Bekannten über dieses Thema spreche, bin ich mir auch absolut bewusst, dass ich wie eine Art monetärer Reichsbürger wirken muss, weil ich Probleme anspreche, die aus der Sicht der meisten garkeine sein können, da wir ja sonst nicht unser aktuelles System hätten. Zudem wirkt es anachronistisch radikal (und damit seltsamerweise für viele "rechts"), wenn jemand das Geldwesen aus den Händen des Staates und der Banken reissen will. Last but not least: wenn der Markt so toll funktionieren würde, wie ich es behaupte, müsste "meine" Sichtweise sich ja im freien Markt der Ideen durchsetzen.
Umso dankbarer bin ich für Texte wie "New Light on the Prehistory of the Theory of Banking and the School of Salamanca" von Jesus Huerta de Soto. De Soto erzählt auf 23 leicht verständlichen Seiten wie die Gelehrten der "Schule von Salamanca" im 16. Jahrhundert in Spanien sich mit ebenjenen Problemen beschäftigt haben, die uns heute noch herumtreiben. Damals wurde Spanien mit Gold aus der Neuen Welt geflutet, aber der extravagante König Karl V war dennoch immer knapp bei Kasse. Er hat sich deshalb auch an den (Gold)Einlagen der Bankkunden vergriffen. Das würden wir heute einen "Haircut" (vgl. Zypern) nennen und sehr blumig rechtfertigen (ist ja kein König mehr, der stiehlt, sondern "wir alle" via Demokratie und so).
Auf der anderen Seite waren die Banker aber auch nicht ganz sauber, da sie die täglich fälligen Sichteinlagen wie Darlehen behandelten und sie weiter verliehen. Sie hielten also nur einen Bruchteil der Einlagen als Reserven (= "fractional reserve banking"). Diese Tendenz wurde durch den König noch verstärkt, da die Banker lieber das Geld anderer Leute gewinnträchtig verliehen, als einen königlichen Griff in die Kasse zu riskieren. Der König wiederum gab den Banken die königliche Erlaubnis so zu operieren wie geschildert, da sie ihm immer wieder aus der Patsche halfen.
Sir Thomas Gresham (ja, der von dem Gesetz) bereiste Sevilla in 1579 unter der Regentschaft von Philipp II um 320.000 Dukaten in Bar abzuheben und berichtet, nachdem er unter großen Mühen nur 200.000 erhalten hatte: "Ich befürchte den Bankrott von allen Banken Sevillas verursacht zu haben". Sevilla war damals nämlich eine Art "Wall Street" und wurde zwar mit Gold aus Amerika geflutet, das aber so sehr in gehebelte Spekulationen gesteckt wurde, dass Cash tatsächlich knapp war. Und da kaum einer damals verstand, was eigentlich vor sich ging, kam es immer wieder zu Bank-Pleiten (Lehman-Momenten) in deren Folge Banker tatsächlich bestraft wurden, ebenso wie heute allerdings von der Partei (König, also Staat), die erhebliche Mitschuld trug.
"Schuldig", also "Sünder" waren aber auch alle Einleger, die erwarteten für ihre Tagesgelder Zinsen zu bekommen, da es offensichtlich sei, dass das Geld nicht gleichzeitig für sie bereit liegen und anderswo "arbeiten" könne. Auch das ist heute keine besonders populäre Sicht, da kaum jemand zugeben will, selber gierig und dumm zu sein, sondern sich lieber als das arme Opfer von gierigen Bankern und dummen Regierungen sieht. "Negativzinsen" in Form von Gebühren für Bankdienstleistungen sind eigentlich selbstverständlich, aber werden gerne als skandalös dargestellt (zu postulieren, etwas sei "ungerecht" ist weit wirkungsvoller, als darauf zu verweisen, dass man mehr Geld für's risikolose Nichtstun haben wolle).
Saravia de la Calle findet diese schönen Worte dafür:
"Derjenige ist nicht frei von Sünde, zumindest von lässlicher Sünde, der seine Geldeinlage jemandem anvertraut, von dem er weiss, dass er die Einlage nicht behalten, sondern sie ausgeben wird. Er ist wie derjenige, der die Jungfrau dem Lüstling anvertraut oder die Delikatesse dem Vielfraß".
De Soto schildert auch, wie die spanischen Scholastiker feststellten, dass die Schuldscheine der Banken wie Cash behandelt wurden und wie sich damit die "Kreditgeldmenge" und die Neigung zu Spekulation erhöhte (bis zur nächsten "deflationären Krise" durch Bankrott).
Das ist ein ganz zentraler Punkt, denn auch heute behandeln wir Bankschulden (z.B. die Einträge auf unseren "Giro-Konten") wie Geld. "Kredit" bedeutete aber eigentlich sowas wie heute "anschreiben" in der Kneipe. Es ist durchaus denkbar, dass man z.B. mit dem Bar-Deckel eines Millionärs irgendetwas bezahlen kann, wenn der Empfänger überzeugt werden kann, dass der Schuldner den Deckel sicher begleichen werde. Man könnte dann z.B. sagen: "Ok, lt. Deckel schuldet der reiche Typ dir 1.000, ich geb dir 900 dafür". Heute aber wird unter unklaren rechtlichen Grundlagen so getan, als sei der Deckel einfach nur "Geld".
Das ganze ist bis heute für Banken und Regierungen so profitabel, dass sich daran bis heute nichts geändert hat und da die Universitäten inzwischen praktisch alle verstaatlicht wurden, kann man sich ja überlegen, ob es wirklich am "freien Markt der Ideen" liegt, dass solche Binsenweisheiten als obskurer und obsoleter radikaler - ja "reaktionärer" - Humbug gelten. Der breiten Bevölkerung ist es schließlich auch solange völlig egal, bis es an die eigenen (widersinnig verzinsten) Sichteinlagen geht und Desinteresse und Gier in Verlustangst umschlagen.
upvoted~~
Die beste Einführung in die spanische Barockscholastik aus ökonomischer Sicht findet sich meiner Meinung nach in Lew Rockwells "Facism vs. Capitalism". Zumindest wenn einem Rothbarts Ökonomiegeschichte zu lang oder zu trocken ist. ;)
Guter Artikel!
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