Im Humboldthain im Wedding

Leroy trifft allmorgendlich mit der DB in Berlin ein und steigt für gewöhnlich am Gesundbrunnen aus, um von dort aus den Gang zu seiner Prostitutionsverrichtungsstätte anzutreten.

Der DB- sowie S+U-Bahnhof Gesundbrunnen ist zwar relativ neu gemacht, aber zweifelsfrei der asozialste und abgefuckteste aller Berliner Bahnhöfe, was der äußerst netten Umgebung und dem kultivierten Publikum, was ringsum ansässig ist, geschuldet sein dürfte.

Solange man keine Kinder hat, die man hier auf die Schule schicken muss, und solange man auch sonst schmerzfrei ist, kommt der Wedding trotzdem in großen Teilen ganz apart rüber. Das haben auch die Hippster gemerkt und fangen jetzt an, bestimmte Teile des Wedding und von Moabit zu besiedeln. So ergibt sich eine ganz bizarre Mischung aus deutschen Alki-Hartzern, verarmten Altberliner-Rentnern, der roten SA, Nahem und Fernen Osten sowie biodeutschen Studentchen, die das alles ganz fürchterlich cool finden. Es gibt ja schließlich Altbaubestande und die Panke sowie den Nordkanal, wo Papi einem eine Wohnung mit Holzdielen samt Biolack drauf schenken kann.

Woher ich's weiß? Na, weil ich da jeden Tag durchmarschiere seit paar Jahren.

Wenn man am Gesundbrunnen aussteigt und es geschafft hat, Berlins beste Currywurst-Bude hinter sich zu lassen, geht es direkt durch den Humboldthain, wenn man möchte.

Der Humboldthain wird jeden Morgen gründlich entmüllt, wozu eine ganze Division von BSR-Leuten und Gärtnern nötig ist. Müllwegwerfen gilt im Wedding als oldschool und faschistisch, daher schmeißt man seinen Dreck vorzugsweise einfach auf den Boden. Das ist nicht nur eine äußerst soziale Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Reinigungskräfte, sondern auch tierlieb, denn so bekommen Ratten und Krähen ausreichend Futter, ohne dass sie es sich direkt vom Aldi oder Feinkost Lidl holen müssten.

Im Humboldthain gibt es einen Flakturm, den man besteigen kann. Und - das habe ich erst neulich entdeckt, obwohl ich sonst fast jeden Zentimenter dort zu kennen glaubte - einen kleinen abgeschirmten Rosengarten, der nicht nur traumhaft schön ist, sondern auch picobello in Schuss. Vermutlich ist er nur tagsüber zugänglich.

Da hat der kleine Leroy nicht schlecht gestaunt neulich - eine Oase der Sauberkeit und der englischen Gartenkunst mitten im Slum. Offenbar und Gott sei Dank so gut versteckt, dass die Standard-Vermüller und -Asis die Stelle noch nicht ausreichend entehren konnten. Ich habe mich sogar ein Viertelstündchen hingesetzt und mich mit den freundlichen Mitarbeitern des kommunalen Parkpflegewesens unterhalten.

Auf der anderen Seite des Parks gibt es noch ein sehr schönes Freibad, das würde ich allerdings aufgrund der vorherrschenden Klientel, der Anzahl der Sicherheitskräfte und der ständigen Berichte in der Lokalpresse eher weiträumig umfahren.

Die Leute, die sich frühmorgens in diesem Park rumtreiben, sind, wenn sie nicht zu den verspießten Malochern wie Leroy zählen, überwiegend verschärfte Verwirrte. Neben Erdbeerlikör trinkenden Ommas, die Selbstgespräche führen, wird was geboten fürs Steuergeld.

Heute hat einer alleine Kungfu-Übungen unter einer großen Kastanie gemacht und dabei geschrien wie Bruce Lee, während die Rasenmäher-Brigade um ihn rumfuhr, es aber nicht schaffte, ihn zu vertreiben. Vermutlich hatten sie Schiss, dass er mit seiner Machete auf sie zurennt. Da wird sich so einiger sagen: "Nee, für eins-acht im Monat riskier ich das nicht. Arschlecken, dann is da halt nich jemäht."

Die Mülleimer wurden auch für den Sommer heuer gleich mit Müllcontainern ersetzt, die man mitten auf dem Rasen abstellt, um nicht mehrfach täglich die To-Go-Kaffeebecher, alten Grills und Fernseher wegräumen zu müssen.

Der Park überrascht mich fast jeden Tag aufs Neue.