Uropa in der Waffen-SS

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Danke liebe Verwandtschaft, dass ich bis jetzt nicht wusste, dass mein Urgroßvater in der SS war. Gestern bei einem Familiengeburtstag kam die Frage an meinen Vater ob es stimmt, dass mein Urgroßvater in der SS Mitglied war. Er bestätigte dies und erzählte, dass meine Oma früher immer gesagt hätte, dass man dies auf jeden Fall geheim halten müsse. Leider weiß mein Vater nur noch dass er 1955 aus der Kriegsgefangenschaft nach Hause kam. Mir wurde früher nur erzählt, dass dieser Urgroßvater lange in russischer Gefangenschaft war und als sehr kranker Mann zurück kam. Schade, dass ich nicht mehr Informationen über ihn habe. Natürlich habe ich recherchiert und es war tatsächlich so, dass russische Kriegsgefangene zum Teil erst nach 10 Jahren entlassen wurden. Natürlich interessiert mich sehr ob er freiwillig der SS beigetreten ist oder zwangsrekrutiert wurde. Wäre er freiwillig eingetreten, dann wäre er eng mit dem Nationalsozialismus und dessen Ideologie verbunden gewesen, im zweiten Fall hätte er keine andere Wahl gehabt. Es gab beide Varianten: Zu Kriegsbeginn konnte man sich entscheiden ob man sich der Wehrmacht anschließt oder der SS. Später allerdings gab es auch Zwangsrekrutierungen, besonders zum Kriegsende hin als die SS viele Verluste zählte. Interessant war, dass er zu dieser Zeit in Ungarn lebte, als Ungarn-Deutscher. Ungarn war aber maßgeblich am zweiten Weltkrieg beteiligt und unterstützte Hitler, auch wenn sich Ungarn dann gegen Ende des Krieges abwenden wollte.
Ungarn war schon vor dem Zweiten Weltkrieg stark antisemitisch geprägt, der Antisemitismus war tief verwurzelt und wurde von nationalistischen, autoritären Kräften getragen, die eine ähnliche Weltanschauung wie das NS-Regime hatten. Ungarn verfolgte die eigenen Juden schon vor der Besetzung durch die Nazis aktiv durch antijüdische Maßnahmen. Als gegen Kriegsende das Land durch die Nazis besetzt wurde begannen die großen Deportationen von ungarischen Juden. Die meisten endeten direkt in der Gaskammer in Auschwitz Birkenau. Was unterschied die SS von der Wehrmacht? Die Wehrmacht waren die Soldaten die eingezogen wurden und an den Fronten kämpften, die SS war politisch und unterstützte die NSDAP zur Verfolgung ihrer nationalsozialistischen Ziele. Auch die SA (Sturmabteilung), die es länger gab als die SS half der Partei bei der eliminierung politischer Gegner. Die SA wurde aber im Laufe des Krieges immer mehr in die SS integriert. Ohne den Deckmantel des Krieges hätte ein Holocaust so wie er passierte nie stattfinden können. Der Kriegszustand diente als Vorwand, um die Deportationen in den Osten unter dem Deckmantel der „Umsiedlung“ durchzuführen. Zudem ermöglichte das Kriegschaos die Errichtung von geheimen Vernichtungslagern fernab der Weltöffentlichkeit. Die Wehrmacht eroberte Gebiete und die Aufgabe der SS war es dann in jedem dieser Gebiete Jagd auf die jüdischen Bewohner zu machen. Die SS sorgte für deren Kennzeichnung, Zählung und anschließender Deportation, in den Konzentrationslagern war sie für die gesamte Organisation, Verwaltung und Bewachung verantwortlich. Es gibt Mitgliederlisten, aber nicht frei im Internet. Man kann eine kostenpflichtige Anfrage im Bundesarchiv beantragen, dort sind 600.000 Personalakten von SS-Mitgliedern. Da die meisten Mitglieder auch Mitglieder in der NSDAP waren könnte man in diesen Archiven auch noch suchen lassen. Ich will jetzt mal nicht denken, dass mein Urgroßvater aktiv am Holocaust beteiligt war, sonst hätte man ihn höchstwahrscheinlich in einem Prozess verurteilt. Als ich das gestern erfahren habe kam kein Gefühl des Hasses auf, sondern ein Gefühl der Traurigkeit und Betroffenheit. Es zeigt sich in der Geschichte immer wieder, dass Hass über Jahrzehnte aufgestaut zuerst zu Ausgrenzung führt, dann zu Entmenschlichung und anschließend zu offener Gewalt. Wir haben die Verantwortung, dass so etwas nie wieder passiert.
Liebe Grüsse

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Danke für den Artikel, es war für mich interessant, mehr über die Unterschiede zwischen der SS und der Wehrmacht zu erfahren. Ich hätte diese Frage auch ChatGPT stellen können, aber zuvor habe ich darüber gar nicht nachgedacht. Sie schreiben jedoch kurz und konzentrieren sich auf das Wesentliche – es ist wirklich ein Vergnügen, Ihren Text zu lesen! :) Übrigens scheint auch Ungarn sich bis heute auf der „dunklen“ Seite zu halten, mit diesem Volk stimmt historisch offenbar etwas nicht.

Mein Großvater kämpfte in der sowjetischen Armee und war in Berlin, unsere Fäden der Vergangenheit haben sich also an einem Punkt gekreuzt. Ich wünschte, die Umstände wären andere gewesen. Mein Großvater erzählte nicht gern vom Krieg und wich solchen Gesprächen aus. In seltenen Fällen sagte er nur, dass vieles ganz anders gewesen sei, als es in sowjetischen Büchern beschrieben wurde. Leider habe ich die Antwort auf die Frage „was er damit meinte?“ erst viele Jahre später bekommen, als ich die Gräueltaten der Russen im Krieg gegen mein Volk beobachtete.

Wie dem auch sei, die Vergangenheit konnte noch niemand ändern, wichtig ist vor allem, ihr nicht zu erlauben, die Gegenwart zu beeinflussen. Danke für die Geschichte!

Danke für deinen netten Kommentar! Ich finde Familiengeschichte sehr spannend, mich interessiert n letzter Zeit sowieso viel was damals im Holocaust passiert ist, was die Hitlerjugend für eine Organisation war und wie diese organisiert war um schon den ganz kleinen Kampfesmut machen. Diese Themen interessieren mich vor allem seit die Bürger iimmer mehr extrem werden. Die Bürger entwickeln eine Toleranz gegenüber dem Extremen wie ein Mensch bei Medikamenten. Dinge die man vorher besser nicht laut gesagt hätte werden heutzutage gehetzt oder gepöbelt und man ist schnell beim nächsten Level. Ja Ungarn ist so wie du sagst auch auf der dunklen, gefährlichen Seite. Habe den Eindruck, je mehr der zweite Weltkrieg zeitlich entfernt liegt, desto mehr haben die Leute wieder eine eher rechte politische Einstellung bis hin zur extremen und manche auch zur radikalen Einstellung. Ich frage mich ob die Menschen gegen Ausländer bzw. Flüchtlinge eingestellt sind weil eine Partei Menschen hier ein besseres Leben versprochen hat (Regierung Merkel) oder ob es dann die Parteien sind, die hetzen und ausgrenzen und dramatisieren. Es kann doch und darf doch nicht an Parteien liegen. Messerangriff im Schwimmbad hat die AFD z. B. propagiert und dramatisiert, als ob man jetzt im Sommer nicht mehr ins Freibad könnte, das ist nur ein Bespiel. Natürlich ist jede Gewalt eine Gewalt zu viel aber mit den Ängsten der Bürger zu spielen und sich dann als einzige wahre Lösung darstellen oder dem Volk glauben zu lassen, dass es Deutschland so schlecht geht und sie die einzige Rettung wären..das ist eine typische vorgehensweise rechter Parteien und das ist in jedem Land das selbe Spielchen. Frei über politische Themen Reden zu halten machen rechte Parteien selten, es ist immer vorher einstudiert wie diese Rede genau gehalten wird um möglichst viele Menschen zu beeinflussen oder Stimmen/Stimmung zu machen. Z.b die AFD hat Berater die denen den Weg vorschreiben um am meisten Eindruck zu schinden oder Wähler zu fangen. Menschen die sich informieren, Vergleiche ziehen zu ähnlichen Parteien u sich nicht mitreißen lassen, sondern nachdenken fällt diese Art irgendwann auf. Aber so war es auch früher, Propaganda hat so viele Menschen mitgerissen. Im Krieg, vor allem früher als es noch nicht so viele Medien gab, ließ man das Volk bis kurz vor dem offensichtlichen verlieren des Krieges glauben, dass es genau andersrum wäre. Die Motivation musste erhalten bleiben. Das meinte auch sicher dein Großvater als er erzählte, dass vies anders war wie erzählt wurde. Es gibt noch vieles aufzuarbeiten den zweiten Weltkrieg betreffend..