Quinnie

in Deutsch Unplugged22 days ago

english below...

Der Quinnie… Kürzlich habe ich ihn noch fröhlich in eine kleine, ziemlich wahre Geschichte verpackt, in der Quinnie, eigentlich Quintano, ein 23 Jahre alter Freiberger Wallach, als weiser Anführer seiner im Brandenburgischen stehenden Herde die ungestümen Tölpeleien seiner Jungpferde-Kollegen belächelte und kopfschüttelnd tolerierte.

Und in der Tat war er genau das: ein tiefenentspannter und souveräner Begleiter für Artgenossen und Mensch. Reiterlich war er sehr fein ausgebildet, reagierte unglaublich sensibel auf kleinste Hilfen und war eine Lebensversicherung für Reiter jeden Ausbildungsstands. Freundin Anke hatte ihn zwei Jahre zuvor gekauft, um selber wieder in die aktive Reiterei einzusteigen – nach 25 Jahren Pause. Er hat es ihr sehr einfach gemacht, an die alten Fähigkeiten anzuknüpfen.

Quinnie war ein Goldschatz und als robuster Freiberger mit einer Lebenserwartung von 35+ Jahren hätte er noch eine gute Zeit als glückliches Pferd vor sich gehabt.

Wenn da nicht Urlauber des Wegs gekommen wären… Touristen, die einen Streifzug durch die wunderschöne Natur nahe des Scharmützelsees unternahmen, dabei wiederholt an den weitläufigen Koppeln vorbei kamen, auf denen diese schönen halbwilden Tiere standen.

Sie haben es gut gemeint, als sie eines Tages frische Möhren mitbrachten. Immerhin waren sie informiert: die Zeiten, wo man einem Pferd ein Stück Würfelzucker gibt, sind lange vorbei. Ist genauso wenig gesund für Tiere wie für Menschen! Möhren dagegen stecken voller Vitamine und Ballaststoffe. Man sieht immer wieder, wie sie in den Reitställen als Leckerli gereicht werden. Insofern verstößt man ja gar nicht wirklich gegen diese Schilder mit dem Hinweis „Bitte nicht füttern!“, die da immer an den Koppeln hängen.

Ja. Quinnie war rundum gesund. Nein, er hätte keine Hufrehe bekommen von den leckeren Möhren, wie vielleicht andere Tiere, die keine Fructose zu sich nehmen dürfen. Sieht man diesen aber nicht unbedingt an, liebe Gutmeiner und Vielwisser. Genauso wenig, wie man Quinnie ansah, daß ihm altersbedingt vier Zähne fehlen. Ganz hinten im Kiefer. Ja genau, die zum Zerkauen der Möhren.

Von Anke bekam er regelmäßig welche, mundgerecht kleingeschnitten. Haben ihm sehr geschmeckt. Die Passanten wußten das nun nicht und streckten die dicken, langen Rüben über den Zaun. Quinnie nahm sie durchaus gierig an. Die Wanderer gingen mit ihren beiden Kindern weiter, froh über das schöne Erlebnis der Nähe zu einem so lieben und zutraulichen Pferd.

Nur eine halbe Stunde später lag Quinnie krampfend auf der Weide. Schlundverstopfung. Die nur grob durchbissenen Möhren haben sich in der Speiseröhre verkeilt. So ein Pferd muß nun 16-18 Stunden am Tag fressen. Der Verdauungsapparat ist auf permanente Nahrungszufuhr ausgerichtet. Schlucken war aber nicht mehr möglich. Trinken war nicht möglich. Durch die verzweifelten Versuche zu Schlucken und das Weiterfressen schwoll der Schlund so an, daß er die Luftröhre quetschte.

Ich beschreibe nicht weiter, was sich da im Pferdekörper abspielte, weil Ignoranten dachten, daß sie… Wenn sie einfach gar nicht nachdachten. Weil sie unreflektiert un egoistisch taten, wonach ihnen der Sinn stand.

Anke kam viel zu spät, als Quinnie im Sterben lag. Der Tierarzt erreichte ihn nicht mehr lebend. Die Videoaufnahmen von der Weide, die später gesichtet wurden, lassen alle auf dem Hof fassungslos zurück.

Quinnie blieb drei Tage tot auf der Koppel liegen, bis der Abdecker kam: damit seine Herde sich von ihm verabschieden konnte. Pferde machen das. Sie legen sich in Gruppen um ihn herum zum schlafen, sie kommen tagsüber immer wieder nach ihm sehen, legen ihren Kopf auf seinen Leib.

Vielleicht, nur vielleicht, sind auch die Wanderer noch einmal an der Weide entlang gelaufen und haben das tote Tier gesehen. Vielleicht wurde ihnen bewußt, was da passiert ist. Was sie getan haben.

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english version:

Quinnie... I recently wrote a cheerful little story based on the true life in which Quinnie, actually Quintano, a 23-year-old Freiberger gelding, was the wise leader of his herd in Brandenburg, smiling indulgently at the boisterous antics of his young horse colleagues and tolerating them with a shake of his head.

And indeed, that is exactly what he was: a deeply relaxed and confident companion for both his fellow horses and humans. He was very finely trained in riding, reacted incredibly sensitively to the slightest aids and was a lifesaver for riders of all levels of training. His owner, Anke, had bought him two years earlier to get back into active riding herself – after a 25-year break. He made it very easy for her to pick up where she left off.

Quinnie was a treasure, and as a robust Freiberger with a life expectancy of 35+ years, he still had a good life ahead of him as a happy horse.

If only holidaymakers hadn't come along... Tourists who were exploring the beautiful countryside near Lake Scharmützelsee and repeatedly passed the extensive paddocks where these beautiful semi-wild animals stood.

They meant well when they brought fresh carrots one day. After all, they were informed: the days of giving a horse a sugar cube are long gone. It's just as unhealthy for animals as it is for humans! Carrots, on the other hand, are full of vitamins and fibre. You often see them being handed out as treats in riding stables. In this respect, you're not really breaking the rules of the signs that say ‘Please do not feed!’ that are always hung up in the paddocks.

Yes. Quinnie was completely healthy. No, he wouldn't have gotten laminitis from the tasty carrots, unlike other animals that are not allowed to consume fructose. But you can't necessarily tell by looking at them, dear do-gooders and know-it-alls. Just as you couldn't tell by looking at Quinnie that he was missing four teeth due to old age. Right at the back of his jaw. Yes, exactly, the ones used for chewing carrots.

Anke regularly gave him some, cut into bite-sized pieces. He enjoyed them very much. The passers-by didn't know this and stretched the thick, long roots over the fence. Quinnie accepted them eagerly. The hikers continued on their way with their two children, happy about the wonderful experience of being close to such a sweet and trusting horse.

Just half an hour later, Quinnie was lying in the pasture, convulsing. Throat obstruction. The roughly chewed carrots had become lodged in his oesophagus. A horse like this needs to eat 16-18 hours a day. Its digestive system is designed for a constant supply of food. But swallowing was no longer possible. Drinking was impossible. Due to the desperate attempts to swallow and continue eating, the throat swelled so much that it squeezed the windpipe.

I will not describe further what was happening inside the horse's body, because ignorant people thought that they... If they simply did not think at all. Because they acted selfishly and without reflection, doing whatever they felt like doing.

Anke arrived far too late, when Quinnie was dying. The vet could not reach him alive. The video recordings from the pasture, which were later viewed, left everyone on the farm stunned.

Quinnie lay dead in the paddock for three days until the knacker came: so that his herd could say goodbye to him. Horses do that. They lay down in groups around him to sleep, they come back to check on him during the day, they lay their heads on his body.

Perhaps, just perhaps, the hikers walked past the pasture again and saw the dead animal. Perhaps they realised what had happened. What they had done.

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Ich danke, für diese, sehr traurige Geschichte, sie war für mich sehr lehrreich.

Zwar habe ich bisher nie irgendetwas einfach über den Zaun verfüttert, doch war mir bei weitem auch nicht bewusst, wie schief dies gehen kann - ich werde es verbreiten, denn ich fürchte viele Menschen komme garnicht auf einen solch tragischen, möglichen Ausgang.
Also danke fürs Teilen! 🙏

 20 days ago 

Ja, bösen Willen unterstellt niemand... Nicht mal, wenn Leute den Pferden Leberwurstbrote geben. Kein Scherz. Hatten wir letztes Jahr.

 22 days ago 

was für eine traurige geschichte....warum müssen leute immerwieder fremde tiere füttern,dass ist absolut ein no go

rest in peace
unfassbar traurig

 22 days ago 

Ich bin traurig. Und wütend. Und ich verstehe es nicht. Geben die auch jedem Kind 'ne Tüte Erdnüsse in die Hand, ohne sich über Allergien zu erkundigen? Wie dumm kann man sein...?

Greetings, it's unfortunate that people aren't aware of how delicate animal nutrition is. I remember a case where a neighbor gave my cat a cookie containing chocolate; we had to take him to the vet because of poisoning.

Beautiful specimen, I love horses.

 22 days ago 

Yes... You don't just feed other people's children. As long as animals are regarded as objects, as things, by the law and therefore also in the eyes of people who are less familiar with animals, nothing will change in terms of such naive behaviour.

 21 days ago 

Yo. Ausgeglichen, innerlich ruhig. Weil er nie schlechte Erfahrungen gemacht hat.

 21 days ago 

Sicher haben die Leute es gut gemeint, aber zu wenig Ahnung im Umgang mit Tieren aller Art. Der normale Mensch sieht alle Jubeljahre mal Tiere in freier Natur oder im Zoo. Im TV sehen sie dann auch nur Sendungen wo Tiere gefüttert werden, erfreuliche Szenen. Es kann nicht genug auf die Wichtigkeit und Bedeutung der Schilder hingewiesen werden: Bitte nicht füttern.

 21 days ago 

Ja... Da hilft der beste, größte, höchste, sicherste Wolfszaun nix. Und ja. Sie haben es gut gemeint, das ist das Schlimmste. Böswilligkeit kann man verurteilen.

Oh je...