Alles Gute – Bitcoin Whitepaper wird 10 Jahre alt

Der 31. Oktober ist nicht nur der Reformationstag, sondern er ist auch der Tag, an dem das Pseudonym Satoshi Nakamoto das Bitcoin Whitepaper veröffentlicht hat. Beide Ereignisse zeigen, wie Kommunikationstechnologie Gesellschaftsstrukturen umbaut.

Vor 501 Jahren hat Martin Luther seine 95 Thesen aus Protest gegen den Ablasshandel an die Schlosskirche Wittenbergs geschlagen. Die aufkommende Druckerpresse hat anschließend die Reformation über ganz Europa getragen und damit die Allmacht der Kirche und des Adels untergraben. Die rapide Kostensenkung zum dokumentieren und vervielfältigen von Informationen hat die strategische Asymmetrie der damaligen Machteliten erodieren lassen. In den folgenden Jahrhunderten musste Dogmatismus den empirischen Methoden weichen und Naturwissenschaften erlangten mehr und mehr Vertrauen. Mit der Einführung des Rundfunks ab Beginn des 20ten Jahrhunderts hat sich eine neuerliche Asymmetrie ergeben. Ideologien konnten wieder gedeihen und abermals wurde das Entstehen von totalitären Staaten begünstigt. Dystopien wie George Orwells Roman 1984 wurden denkbar, weil nun wieder die Lüge besser bezahlt wurde als die Wahrheit.

Die strukturelle Asymmetrie des Rundfunks, welche hierarchische Gesellschaftsstrukturen begünstigt, wird nun durch die Digitalisierung in Form es Internets aufgehoben. Peer-to-Peer-Kommunikation, die keine Mittelsmänner wie Journalisten, Politiker oder Bänker braucht, kann durch Staaten immer schlechter unterbunden werden. Dies hat einen neuerlichen Prozess der Aufklärung eingeläutet und handfeste Verschwörungstheorien verbreiten sich rapide. Der Vertrauensverlust in zentralisierte Institutionen und Strukturen ist an vielen Stellen der Gesellschaft spürbar, da sich staatstragende Dogmen immer schlechter verkaufen lassen.

Die Blockchain-Technologie, die im Bitcoin Whitepaper beschrieben wurde, vereinigt ein transparentes Versionskontrollsystem wie Git und eine Peer-to-Peer-Kommunikation wie Bittorrent. Konsens wird in diesem fortlaufenden Geschichtsbuch automatisiert mit der Proof-of-Work-Verfassung generiert. Jeder kann dieses soziale Netzwerk nutzen aber niemand wird gezwungen. Wer mit dem generierten Konsens oder der Verfassung nicht einverstanden ist oder einfach nur meint, eine bessere Idee zu haben, der ist frei sein eigenen Projekt zu starten. In der Open-Source-Gemeinde gibt es keine Patenthürden oder Zugangsbeschränkungen. Das einzige, was ein Individuum mitbringen muss, ist Bildung. In dieser Gemeinschaft wird die Wahrheit wieder besser bezahlt als die Lüge. Auf der Blockchain ist Zensur über die Judikative unmöglich. Meinungsfreiheit, Wahrheit und Innovation wird getragen durch IT-Kompetenz.

So haben sich tausende neue Projekte und Vertauensnetzwerke ganz ohne staatlich regulierte Vereinssatzung gebildet, um eine bessere Zukunft zu bauen. Es ist eine regelrechte Industrie entstanden, in der es gewiss auch schwarze Scharfe gibt. Zudem gibt es mit jeder neuen Technologie auch neue Möglichkeiten Unfälle zu bauen. Das ermutigt Kindermädchen wie zum Beispiel Aufsichtsbehörden und Marktmanipulatoren Absperrgitter sowie Warnschilder aufzustellen. Sie müssen schließlich ihre Daseinsberechtigung solange verkaufen wie es noch geht. Betrachtet man das Fiat-System und die Blockchain-Szene mit Hilfe des AGIL-Schemas, ein systemtheoretisches Modell für den Selbsterhalt von soziologischen Strukturen, so ist die gesellschaftliche Technologie-Adaption und der Vertrauenstransfer nur eine Frage der Zeit.

Für viele fühlt sich das heutige Post-Rundfunk-Zeitalter wie ein Vernichtungskrieg auf dem Schach-Brett an. Dagegen ist für digital Natives das Bauen von Blockchains wie das Spielen von GO: „Leben und leben lassen.“

CC-BY-ND Andreas Pieper