[DE] Dreiundzwanzig Tage – Teil 4: Grau [Burdenverse]
Heute ähnelt eine Straßenecke der anderen, doch erzählt jede einzelne eine andere Geschichte von Leid. Als das Licht auf uns einschlug, sah ich, wie Familien in Blindheit und Panik auseinandertrieben – Menschen, die sich im Wirr dieser niedergerungenen Welt wohl nicht mehr wiedergefunden haben. Die sich nach dem Ereignis aufblasende Wolke machte das Aufrechterhalten menschlicher Bande unmöglich. Jeder stirbt allein. Die kauernden, erstarrten und teilweise in sich eingefallenen Statuen aus traurigem Grau sind ein Zeugnis davon.
Wenn meine Streifzüge meine staubigen Stiefel nicht auf trostlosen Asphalt führen, dann stapfen sie durch schwarzes Laub oder lassen trockene Erde zerrieseln. Alles um mich ist in einen fahlen Schleier gehüllt.
Der große Schöpfer und der Sühner menschlicher Verfehlungen hat die Welt in Grautöne getaucht.
Ist es das, was sich die Nachfahren einer Handvoll Überlebender erzählen werden? Gott hat uns bestraft? – Blödsinn. Dies ist Planet Nihil. Gibt es einen Gott, so würde er nicht im Traum daran denken, einen Fuß auf dieses Kohleflöz zu setzen. Vielleicht lacht er in der Ferne über den menschlichen Witz.
Meine Zunge ist trocken. Meine Lungen brennen. Ob es der Staub der Bausubstanzen ist oder der der Menschen, die es jäh zerstoben hat, weiß ich nicht einzuschätzen. Meine Augen sind zugekniffen, meine Gesichtszüge angespannt. Das gleißend helle Sonnenlicht blendet mich und zwingt mich mit seiner unerbittlichen Hitze bei meinen langen Märschen tagsüber fast in die Knie. Trinkbares Wasser ist rar. Jenes, das vom Himmel fällt, schmeckt bitter und lässt die Kiefermuskeln krampfen. Der schon bewusst spärlich beladene Rucksack fühlt sich mit jedem Kilometer schwerer an und übersäuert meine Rückenmuskulatur. Meine Schritte werden bleiern und die Versuchung, sich einfach fallen zu lassen, wird größer. Bereits jetzt fühle ich mich um Jahrzehnte gealtert. Auch wenn ich nicht an eine göttliche Bestrafung oder an die Glückseligkeit im Himmel glaube: Aber dies – dies ist die Hölle.
Viel gefährlicher als die Hitze und die kräftezehrende Suche nach Vorräten und Medizin ist der eigene Verstand. Die Einsamkeit schafft sich ihre eigene Gesellschaft. In meinem Fall bisweilen eine sehr Unangenehme. Ich kann zunehmend weniger erkennen, was real ist und was sich nur in meinem Kopf abspielt. Wann ein Tag endet und der andere beginnt. Meine eigene Stimme wird mir fremd. Meine Lieben – existierten sie wirklich oder sind sie nur Teil eines entarteten Verstandes, der versucht, sich aus der Sinnlosigkeit dieses globalen Trümmerhaufens einen Reim zu machen? War es jemals anders oder war ich schon immer allein?
Ob du meine Nachricht je erhalten wirst, ob du überhaupt noch lebst oder je gelebt hast... Ich sende sie trotzdem. Und dann, dann gebe ich auf.
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Gelesen: 11:08 ✔️
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Foto des Buchcovers: Lisa Spreckelmeyer / pixelio
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