Alleinerziehend mit Untermieter

in #busy6 years ago

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Sabina ist früher als geplant aus der Uni gekommen, jetzt steht sie in der Küche und knetet Teig. Ein Freund hat am nächsten Tag Geburtstag, und sie will ihn mit Pelmeni überraschen, mit Hackfleisch und Kartoffelmasse gefüllten russischen Teigtäschchen. Wenn Sabina Pelmeni macht, dann richtig, 300 bis 400 Stück können es schon werden. Eine Heidenarbeit, bei der Tilda unbedingt helfen will. "Darf ich auch mal rühren?", fragt sie und steigt auf einen Stuhl. Sabina gibt ihr die Packung Mehl, Tilda schüttet.

Seit Ostern wohnen sie zu viert in der Wohnung in Haidhausen, 90 Quadratmeter, drei Zimmer, Küche, Bad: Julia Timmons, 35, ihre Kinder Oskar, 6, und Tilda, 3, und Sabina Orazov, 22, Physikstudentin. Als Alleinerziehende kann Timmons sich die Wohnung nicht mehr leisten; deshalb hat sie ein Zimmer untervermietet.

Einen Monat vor Oskars Geburt war Julia Timmons 2012 mit ihrem Mann, der damals noch ihr Freund war, in die Wohnung gezogen. Es lief, wie es so oft läuft, wenn in einer Münchner Wohnung die Bewohner wechseln: Über Kontakte hatten sie erfahren, dass die Wohnung frei wird, sie bewarben sich und bekamen den Zuschlag. Mit einer Warmmiete von 1300 Euro war die Wohnung für die Familie bezahlbar.

Vor einem Jahr dann trennten sich die Eltern. Zunächst blieben sie zusammen in der Wohnung, es dauerte, bis er etwas Neues und Bezahlbares fand. "Jetzt muss ich hier auch ausziehen", das war Julia Timmons' erster Gedanke, allein würde sie die Miete nicht aufbringen können. Sie arbeitet als freiberufliche Hebamme, in einer Klinik hat sie eine 25-Prozent-Stelle. Würde sie nicht untervermieten, sagt sie, würde sie fast nur für die Miete arbeiten.

Alleinerziehende wie Julia Timmons haben in München mit die höchste Mietbelastung. Das hat die Umfrage "Meine Miete" der Süddeutschen Zeitung ergeben. Mehr als 30 Prozent sollte man eigentlich nicht für die Miete ausgeben, sagen Experten - damit genug zum Leben bleibt. Eine solche Mietbelastung hat aber nur fast jede Vierte der 222 Münchner Alleinerziehenden, die an der Umfrage teilgenommen haben. Es zeigt sich: Jemand, der sich ohne Partner um die Kinder kümmert, muss ein Haushaltseinkommen von mindestens 2600 Euro haben, damit die Mietbelastung nicht zu hoch wird. Von den Alleinerziehenden mit jüngeren Mietverträgen, abgeschlossen seit 2014, bleibt nur fast jede Achte (13 Prozent) innerhalb des 30-Prozent-Rahmens.
Julia Timmons war drauf und dran, sich nach einer anderen Wohnung umzuschauen. Aber eigentlich wollte sie nicht ausziehen. Sie fühlte sich wohl in Haidhausen, hier hatte sie über die Jahre ein soziales Netz aufgebaut. Ihre Schwester wohnte im selben Haus. Im Herbst soll Oskar in die Schule kommen. Timmons hing an der Wohnung, in der beide Kinder zur Welt gekommen waren. "Das ist unser Zuhause." In ihrem Flur hängt eine Postkarte, "Gott ist alleinerziehend", steht darauf.

Sie überlegte, was sie tun könnte, um zu bleiben. Eine Bekannte, ebenfalls alleinerziehend, hatte eine Wohngemeinschaft mit einer anderen Mutter mit Kind gegründet. Dafür wäre Julia Timmons' Wohnung zu klein gewesen, aber eine Untermieterin, das war doch eine Idee. Im Internet schaute sie sich Gesuche an, schrieb einige Frauen an, von denen sich drei oder vier zurückmeldeten. Die erste, die antwortete, war Sabina Orazov. Im März kam sie, um sich die Wohnung anzuschauen, dann ging es ganz schnell. Ostern zog sie ein. "Es war gleich klar, dass das gut passt", sagt Julia Timmons. Sabina hatte kurz Sorge, dass sie eine Nanny für die Kinder sein sollte, doch es wurde schnell klar, dass es so nicht gedacht war. Die einzige Abmachung ist: Wenn Julia zweimal im Monat Nachtdienst hat, bleibt Sabina zu Hause.

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