Infrarotspektroskopie - Eine technische Einführung

in #de-stem6 years ago (edited)

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Mit diesem Artikel gebe ich euch einen Einblick beziehungsweise ein Art 'Kurzhandbuch' zur chemisch-analytischen Methode der


Infrarotspektroskopie


laser-856991_960_720.jpg
Quelle: pixabay

Um zu Verstehen wie diese Technik funktioniert und wie sie einem erlaubt zwischen verschiedenen chemische Substanzen zu unterscheiden, ist ein fundamentales Verständnis der molekularen Bindungsstärke notwendig. Prinzipiell sind Moleküle aus miteinander verbundenen Atomen aufgebaut, wobei diese Bindungen unterschiedlicher Natur sein können:

  • kovalente σ (und π) Bindungen, wie in jeder organischen Verbindung
  • koordinative Bindungen, wie etwa in Komplexen (zB. cis-Platin)
  • intermolekulare Interaktionen durch Coulombkräfte oder H-Brücken

Die beiden erstgenannten Bindungstypen haben den größten Beitrag zur resultierenden Bindungsstärke. Andere Einflüsse sorgen im Regelfall nur für kleine Abweichungen davon.


Die Bedeutung der Bindungsstärke


Die Bindungsstärke bezeichnet die Menge an Energie, welche bei einer Bindungsbildung frei wird. Je höher also die Bindungsenergie, desto niedriger ist die verbleibende Energie des betrachteten Systems. Dies bedeutet wiederum, dass das System entsprechend weniger Energie enthält, also in einem relaxierteren Zustand vorliegt. Hohe Bindungsenergie bedeutet somit hohe Stabilität der Bindung.

Infrarotspektroskopie basiert auf der Schwingungsanregung von chemischen Bindungen durch Infrarotstrahlung. Die dabei benötigte und somit absorbierte Strahlungsenergie kann messtechnisch aufgezeichnet werden und enthält die wesentlichen Informationen. Da unterschiedlich starke Bindungen unterschiedlch stabil sind, bedarf es dementsprechend unterschiedlichen Energieaufwendungen, um diese anzuregen bzw. in Schwingung zu versetzen. Unterschiedliche Energien korrespondieren wiederum mit unterschiedlichen Wellenlängen und ergeben damit unterschiedliche, detektierbare Signale.

Wie ich bereits anklingen habe lasse, können bestimmten funktionellen Gruppen (spezifische Atomverknüpfungsmuster) auf Grund der involvierten Elemente und Bindungen charakteristische Signale zugeordnet werden:


charakteristische-Signale-image.jpg
Charakteristische Signale
Zusammenstellung selbst gemacht - Daten von Ref. [2] und [3]


In der Infrarotspektroskopie ist es gängig mit der Wellenzahl [1/cm] als Maß für die Energie der Strahlung zu arbeiten. Je höher die Wellenzahl ist, desto niedriger ist die Wellenlänge, also desto höher die Strahlungsenergie.

Die exakte Wellenlänge, bei welcher man ein IR-Signal für eine gewisse Bindung erhält, hängt von einer ganzen Reihe von Einflussfaktoren ab:

  • Atom Typen (Elemente), welche miteinander verbunden sind
  • Bindungsordnung (Einfach-, Doppel- oder Dreifachbindung)
  • chemische Umgebung (benachbarte Bindungen, Konjugationen,...)

Da es so viele Einflüsse gibt, liegt es nahe, dass man für unterschiedliche chemische Verbindungen auch unterschiedliche charakteristische Signale erwarten kann. Mit Hilfe von IR Interpretationstafeln, durch Vergleiche mit in IR Datenbanken gesammelten Spektren oder anderen Informationen (zB. Elementanalysen) ist es möglich aus den gemessen Spektren die präzise chemische Struktur einer Verbindung abzuleiten.


Das Messen von IR Spektren


Wenn ihr eines der am meisten verwendeten Standard-IR-Geräte sehen wollt, so empfiehlt sich die Homepage der Fa. Bruker. Das Gerät, auf welches ich hier verlinke, ist ein sogenanntes IR-ATR-Spektroskop. Diese Abkürzung steht ausgeschrieben und übersetzt für 'Infrarotspektrometer mit abgeschwächter Totalreflexion', was im Grunde die Messtechnik und damit die Interaktion zwischen der Probe und der IR-Strahlung beschreibt. Obwohl die dabei verwendete Technologie sehr fortschrittlich und komplex ist, ist die Bedienung selbst extrem einfach:

Die Probe wird direkt entweder in fester oder in flüssiger Form auf den Probenkopf, einem ATR Kristall, aufgebracht. Für Festproben, wie etwa einem kristallinen Pulver, wird ein Stempel verwendet, um das Pulver fest an den Kristall zu pressen. Anschließend wird über ein digitales User-Interface der Messvorgang initiert. Nach ein paar Sekunden ist die Messung abgeschlossen und der Probenkopf (sowie der Stempel) können mit einem fusselfreien Tuch und Isopropanol gereinigt werden.

Die Interaktion zwischen der Infrarotstrahlung und der Probe erfolgt an der Grenzfläche zwischen der Probe und einem optisch dichten Kristall. Dabei wird der Einfallswinkel der Strahlung so gewählt, dass es zur Totalreflexion kommt. Ein sogenanntes 'evaneszentes Feld' baut sich dabei auf und erlaubt die Wechselwirkung zwischen der elektromagnetischen Strahlung und dem Probenmaterial.

Dabei werden charakteristische Schwingungen in der Probe ausgelöst und dementsprechend spezifische Wellenlängen des eingestrahlten IR-Lichtes absorbiert. Die abgeschwächten Strahlungsanteile werden detektiert.


IR-ATR-Prinzip.png
IR-ATR Prinzip
Grafik selbst gemacht


Interpretation von IR Spektren


Um IR Spektren qualitativ auszuwerten und dabei die korrekte Verbindung abzuleiten, können sogenannte IR Interpretationstafeln verwendet werden. Darin findet man charakteristische Signale für Strukturelemente, inklusive ihrer typischen Signalstärken (s = strong, m = medium, w = weak). In den nächsten beiden Abbildungen findet ihr zwei empfehlenswerte Tabellen.


IR-Interpretationstafel-1.png
Interpretationstafel Nr. 1 - Ref. [4]


IR-Interpretationstafel-2.png
Interpretationstafel Nr. 2 - Ref. [4]


Zum Schluss noch eine kleine Demonstration wie all das angewandt wird. Dafür soll das folgende IR Spektrum als exemplarisches Beispiel dienen. Um mit der Interpretation eines Spektrums zu beginnen, sollte man sich auf die charakteristischen Signale über 1000 1/cm konzentrieren. Alles darunter wird als 'Fingerprint' Bereich bezeichnet und ist mehr für computer-gestützte Vergleiche relevant.


p-Cyano-benzaldehyd.PNG
IR Spektrum von p-Cyano-benzaldehyd
Quelle: SDBS Database


Folgende charakteristische Signale findet man in diesem Spektrum:
(Der Buchstabe hinter der Wellenzahl bezieht sich auf die Signalstärke.)

  • 1710s weißt auf eine Carbonyl Gruppe hin: C=O
  • 2250m weißt auf eine Nitril Gruppe hin: -CN
  • multiple 3000m, 1200m, 1100m, 850s deuten auf eine para-substituierte aromatische Struktur hin: -C6H4-

Unter Einbeziehung der, evtl. aus einer Elementanalyse stammenden, stöchiometrischen Information (oben links im Spektrum), ist es bereits möglich die chemische Struktur abzuleiten. Wenn man alle anhand er IR-Signale vorhergesagten Atome aufsummiert erhält man C8H4NO. Es fehlt uns also noch ein Wasserstoff. Daraus folgt, dass es sich bei der Carbonyl-Gruppe um einen Aldehyd und nicht um ein Keton handelt. Daraus folgt als Ergebnis in der Tat: p-Cyano-benzaldehyd

Schlussendlich noch ein relativ einfaches Spektrum für diejenigen unter euch, welche sich sofort testen wollen. Schreibt eure Vorschläge einfach in die Kommentare. Ihr bekommt alle eine Antwort!


Guess-the-compound-IR.PNG
Übungsspektrum
Quelle: SDBS Database


Wenn ihr in Datenbanken frei zugängliche Infrarotspektren nachschlagen wollt, so empfehle ich die Folgenden. - Es empfiehlt sich die Suche mit Hilfe der CAS Nummer.


Euer,
mountain.phil28


Referenzen:

  1. FT-IR Spectroscopy ATR - A Technical Note
  2. H. Günzler, H.-U. Gremlich: IR-Spektroskopie: Eine Einführung. 4th Edition. Wiley-VCH, Weinheim 2003, p. 165–240. - indirect online accessible via Wikipedia
  3. R-Spektroskopie organischer Moleküle, Uni Stuttgart, accessed online 10th January 2018
  4. F. A. Miller's, Application of Infrared and Ultraviolet Spectra to Organic Chemistry, Gilman's Organic Chemistry, Vol. III, 1953, John Wiley and Sons, Inc.
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Alright. Will be done.

Thanks for pointing that out.
I just edited the post and substituted all potentially copyright protected images!
Best,
mountain.phil28

Guter Artikel.
Mit Interpretationstafeln hatte ich nie zu tun.
Aber Du scheinst auch im Gegensatz zu mir aus der Chemie zu kommen. :)
Ich hab IR-Spektroskopie nur im Fortgeschrittenenpraktikum erlebt. Am metallischen Festkörper.

Am metallischen Festkörper? Was für ein Experiment habt ihr da gemacht? Würde ich gerne mehr darüber hören, wenn du dich noch so in etwa daran erinnern kannst. :)
LG,
mountain.phil28

Ich erinnere mich nicht mehr, aber den Versuch gibt es zum Glück noch:
http://www.fkp.tu-darmstadt.de/exp/fp/abteilungb_3/fp_1_8/index.de.jsp

Die Info mit den Metallen war also nicht ganz richtig, allerdings war der Versuch Teil der Abteilung Festkörperphysik und das sind klassisch die Metalle. Seit ein paar Jahren werden auch dünne Schichten erforscht.

Ok. Cool, thx für den Link!

Cooler Post! Freut mich das sich wer für ATR-IR interessiert. Ich arbeite momentan sehr viel mit dieser Technologie und anderen IR Spektrometer wie zum Beispiel Fast-IR und External Reflection. Sehr coole Technologie. Danke für diesen verständlichen Einführungspost. Upvote und Resteem. Cheers!

Danke @lesshorrible!
Über dein Vorbeischauen freut man sich immer besonders! :)
Von External Reflection habe ich, so muss ich wohl ehrlich gestehen, noch nie was gehört.

just-got-curious

Vielen Dank für den Support!
LG,
mountain.phil28

Ist wesentlich simpler als das ATR, hat aber auch wesentlich schlechtere Intensität (ca. 1/10 weniger in unserem Labor). Bei uns an der Uni ist ext refl das go to für organische chemie semester 1&2.
Cheers!

Sehr guter Artikel und sehr genaue Angaben

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