Künstliche Organe: So nah und doch so fern!
Besser arm dran als Arm ab! Diese alte Weisheit könnte schon bald ausgedient haben, denn seit einigen Jahren ist es möglich deine(!) Organe und Gewebe im Reagenzglas nach zu züchten. Die Rede ist hier aber nicht etwa nur von Haut oder Bindegewebe. Nein! Funktionierende Gedärme, Minigehirne und selbst schlagende Herzen sind eigentlich kein Problem mehr. Wird der Organspendeausweis also bald ausgedient haben? Schauen wir uns die Sache mal etwas genauer an.
Hallo und herzlich willkommen zu meinem Jubiläumspost.
Ja, tatsächlich! Bereits knapp ein Jahr lang betreibe ich diesen Blog hier und bin natürlich noch kein bisschen müde geworden 😉. Lange Zeit überlegte ich, welches Thema die Ehre eines Jubiläumspost zuteilen werden sollte und die Wahl fiel schließlich auf künstliche Organe. Grund dafür ist erstens mein langjähriges Interesse an dem Thema und zweitens der chronische Zeitmangeln mich damit mal eingehender zu befassen. Da die künstlichen Organe nun zum Jubiläumspost erklärt wurden, konnte ich die Zeit genau dafür blocken und los geht’s.
Ich will euch allerdings erstmal reinen Wein einschenken.
Das mit den nachwachsenden Armen wird so schnell eher nix. Auch wenn es für diesen Kollegen hier anscheinend kein Problem ist…
Abbildung 1: Axolotl mit fünf statt vier Beinen. Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Isabelle Kolbe. No Copyright restrictions! Free use allowed!
Das Axolotl (ein Lurch) ist in der Lage verlorenen gegangene Gliedmaßen einfach zu erneuern. Ihr könnt im Bild einen zusätzlichen Stummelfuß erkennen (blauer Pfeil), welcher sich neben dem eigentlichen linken Vorderbein gebildet hat. Da ist wohl etwas schief gegangen! Aber egal der Axolotl ist gesund und munter und hat nun quasi fünf Beine (er wurde von einem seiner „Freunde“ angeknabbert, passiert anscheinend manchmal).
Wie es zur Regeneration von Gliedmaßen beim Axolotl kommt, haben kürzlich Wissenschaftler aus Dresden herausgefunden [1]. Lange Zeit war angenommen wurden, dass z.B. Zellen im Arm wissen, dass sie „Armzellen“ sind und deshalb zum Arm werden. Das würde zum Beispiel bedeuten, dass aus jenen Zellen schwerlich was anderes wird. Das Gegenteil ist aber der Fall. Amputiert man einem Axolotl etwa einen Arm, so kapieren die Zellen an der betreffenden Stelle nach ein paar Tagen (etwa sechs), dass sie Zellen sind, die sich im Arm befinden. In den Zellen wird quasi ein genetisches Programm für „Arm“ aktiviert und damit hat sich’s dann. Die Autoren der Studie konnten zeigen, dass nach gleichzeitiger Verpflanzung von Zellen aus anderen Körperregionen in den Arm hinein, immer nur ein Arm und nicht etwa ein Fuß oder Schwanz entsteht. Was diese Programme genau auslöst ist nicht ganz klar, womöglich sind dies Signale von Immunzellen. Wichtig ist es zu wissen, dass die beteiligten Gene, sogenannte HOX-Gene, am Ende die ausführenden Instanzen sind [1]. HOX-Gene sind evolutionär sehr alt und hoch-konserviert (Abbildung 2)[2]. Bereits Fliegen verfügen über HOX-Gene (die hier aber HOM-C genannt werden) und selbst in Quallen, Pflanzen und Pilzen wurde diese Genfamilie bereits nachgewiesen [2, 3].
Abbildung 2: HOX-Gene sind hoch-konserviert. Von den HOX-Genen wird eine Abschrift (Transkript) erstellt und diese dann in ein Protein übersetzt. Das Protein hat verschiedene Domänen, die letztlich für die DNA-Bindung und folglich zur Steuerung weiterer Gene verantwortlich sind. Ich habe euch hier das Aligment von Aminosäuresequenzen (jeder Buchstabe ist eine andere Aminosäure) von einer dieser Domänen, genauer der Homeodomäne, angefertigt. Ihr könnt erkennen, dass zwischen Fliegen (Drosophila melanogaster), Krallenfröschen (Xenopus leavis) und Menschen (Homo sapiens) gar kein so großer Unterschied besteht. Falls ihr sowas selbst einmal ausprobieren wollt, vielleicht mit einem Protein eurer Wahl, so funktioniert‘s: Ihr geht zu NCBI tragt das Protein und die Spezies ein, welche euch interessieren und stellt links noch auf Protein um. Dann sucht ihr euch die entsprechenden Sequenzen und copy-pasted die FASTAder betreffenden Sequenz, z.B. in einen normale Texteditordatei. Wenn ihr genug Sequenzen (etwa drei wie oben oder auch viel mehr) in einer Datei zusammenhabt, dann geht ihr zum EMBL und hier am besten auf das Tool CLUSTL Omega. Dort pasted ihr alles rein und drückt auf submit. Fertig. Nun stehen euch zahlreiche Optionen zur Verfügung, klickt euch mal etwas durch. Macht Spaß! Made by Chapper - unrestricted use allowed
Die Hauptaufgabe der HOX-Gene ist die Steuerung von Entwicklungsprozessen. Die Neuentstehung von Gliedmaßen beim Axolotl stellt somit ein Entwicklungsprogramm an der betroffenen Stelle dar [2].
Sowas in einem Menschen umzusetzen dürfte allerdings eine ganz schöne Herausforderung sein. Man müsste nicht nur die HOX-Gene an den jeweiligen Stellen aktivieren. Vielmehr sollten die Produkte der HOX-Gene und weitere Faktoren in einer koordinierten Art und Weise interagieren. Beim Axolotl sind z.B. HOXA9, HOXA11 und HOXA13 aktiv [1]. Jedoch wirken nicht alle Produkte zur gleichen Zeit, sondern jedes Gen wird zur richtigen Zeit am richtigen Platz, zusammen mit den richtigen „Helfern“, angeschaltet. Kann schon sein, dass es irgendwann mal klappt, sowas in der Therapie zu realisieren, aber wahrscheinlich nicht übermorgen.
Andere Anwendungen sind im Gegensatz dazu nicht ganz so abwegig oder „weit weg“.
Gerade in jüngster Zeit kam in Deutschland mal wieder das Thema Organspende vermehrt auf die Tagesordnung. Dies ist selbstverständlich ein sehr emotionales und kritisches Thema. Meiner Meinung nach könnte sich dies aber schon bald erledigt haben, denn die Wissenschaft macht enorme Fortschritte auf dem Gebiet der regenerativen Medizin.
Bereits schon Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts beschäftigten sich Wissenschaftler mit der Zucht von Organen [4]. Zunächst wurden vor allem Fragmente von Organen oder Geweben in Nährlösungen gepackt, wobei man beobachten konnte, dass sich organartige Strukturen ausbildeten. Solche Gebilde werden allgemeinhin als Organoide oder 3D-Zellkulturen bezeichnet. Später wurden die Zellkulturtechniken immer ausgefeilter und man begann nach und nach verschiedene Organoide zu züchten. Die Anzucht von Organoiden führte daher zunächst vor allen zu neuen Erkenntnissen über die Organ- und Gewebebildung [4].
Man erkannte zum Beispiel, dass „freischwimmende“ Signalmoleküle wie TGF-β oder auch „festverankerte“ Dirigenten wie Laminin essentiell für die Organbildung sind [4]. Diese sind sehr wichtig damit die Zellen ausreichend Informationen darüber haben wo sie sich befinden und was sie quasi tun sollen.
Laminin ist ein sogenanntes Glykoprotein (Protein mit Zucker dran) und sitzt in der extrazellulären Matrix (kurz EZM) [5]. Die EZM ist ein Verbund von Proteinen und Kohlenhydraten, die ein Netzwerk ausbilden, welches die Zellen umgibt. Dieses Netzwerk hat vielfältige Funktionen, und eine davon ist eben die Signalweiterleitung. Um dies zu ermöglichen bindet Laminin das Protein Integrin auf der Oberfläche von Zielzellen und löst somit ein Programm aus, welches die Zelle in den Gesamtverband eingliedert und ihr dadurch ein gewisses Schicksal zuweist (GIF1)[4].
GIF1: Laminin in der extrazellulären Matrix (EZM) legt das Schicksal der Zellen im Zellverband (Organe/Gewebe) fest. 1. Zellen besitzen einen Zellkern und das Protein Integrin auf ihrer Oberfläche. 2. Um die Zelle herum befindet sich die extrazelluläre Matrix samt Laminin. 3. Laminin bindet schließlich an Integrin. 4. Eine Signaltransduktionskaskade wird ausgelöst. 5. Verschiedene Gene werden im Zellkern ab- oder angeschaltet, das Verhalten der Zelle verändert sich dadurch. Made by Chapper - unrestricted use allowed
Interessant ist wie man dies herausfand. Irgendwann in den 60iger oder 70iger Jahren wurde viel damit experimentiert, den Zellen eine gute Wachstumsgrundlage zu bieten. Hierfür wurden die Kulturgefäße mit Kollagen beschichtet (auch eine Komponente der EZM) [5], weil man zuvor festgestellte hatte, dass die Zellen dadurch besser haften und wachsen [4]. Nun ist es häufig so (kennt jeder, der mal Zellkultur gemacht hat), dass die Zellen trotzdem manchmal abschwimmen und dabei eben auch Teile der Beschichtung mitnehmen. Diese abtrünnigen Zellen gingen aber nicht zu Grunde, sondern starteten ein neues, erfolgreicheres Dasein. Sie formten Organoide [4]. Im Gegensatz zu den zweidimensional angeordneten Nachbarn, waren die organoiden Zellen jedoch zu wesentlich mehr in der Lage. So konnte zum Beispiel der Mechanismus der Milchbildung in Drüsenzellen durch Organoide aufgeklärt werden [6, 7]. Auf Grundlage solcher Beobachtungen intensivierte man die Erforschung der EZM und fand schließlich Laminin. Mit Hilfe von Antikörpern, die Laminin und Integrin blockieren, war es möglich zu zeigen, dass Laminin und Integrin miteinander wechselwirken und dadurch maßgeblich zur Gewebs- und Organbildung beitragen [4]. In 3D-Zellkulturen kann somit nicht nur die Organ- und Gewebsbildung oder Tumorentstehung untersucht werden. Sie eignen sich vielmehr dazu, um das „wahre“ Verhalten der Zellen aufzuklären, denn Zellen befinden sich nun einmal nicht festgeplättet auf einer Oberfläche, sondern in einem dreidimensionalen Verband.
De facto war die Zeit der zweidimensionaler Zellkulturen deshalb schon vor Jahrzehnten zu ende. Die 3D-Zellkulturen mit ihren Organoiden werden nun höchstwahrscheinlich mehr und mehr deren Platz einnehmen.
Auf dem Weg zum fertigen Organ sind allerdings noch zahlreiche Hürden zu nehmen.
Eine dieser Herausforderungen war jahrelang die optimale Etablierung einer 3D-Zellkultur.
Seit man weiß, dass die Anwesenheit der EZM erforderlich ist, werden die Zellen in einer Art Gel kultiviert. Dieses Gel (u.a. Matrigel genannt und erstmals 1977 verwendet [8]) enthält zahlreiche Faktoren der EZM, vor allem aber Laminin. Dadurch können sich die Zellen optimal polarisieren und in einem Verband organisieren. Dieses Vorgehen ist mittlerweile Standard.
Eine weitere Herausforderung war die Art und Herkunft der Zellen.
Als ich mich mit dem Thema befasste, hatte ich oft den Eindruck, dass es absolut notwendig sei Stammzellen für so etwas zu haben. Stammzellen erhält man in erster Linie aus Embryonen. Man findet sie aber auch in erwachsenen Menschen. Hier sind sie u.a. für zur Geweberegeneration verantwortlich (zum Beispiel von Muskelgewebe [9]). Nun ist es allerdings nicht so einfach an Stammzellen zu gelangen. Und Tumore, die prinzipiell Stammzellcharakter haben, sind nur eingeschränkt für Forschung oder gar Transplantation geeignet.
Vor nicht allzu langer Zeit, konnte allerdings das Geheimnis der Stammzellen gelüftet werden. Es zeigte sich, dass eigentlich jede kernhaltige Zelle in eine Stammzelle umprogrammiert werden kann [10]. Wichtig ist, dass mindestens vier essentielle Transkriptionsfaktoren aktiviert werden.
In Stammzellen sind immer mindestens vier Transkriptionsfaktoren „im Konzert“ aktiv:
- c-Myc
- Oct-3/4
- Sox-2
- KLF4
Da man dies heute weiß, kann man eine einfache Körperzelle nehmen, die oben genannten vier Transkriptionsfaktoren einschalten und erhält eine induzierte pluripotente Stammzelle (iPS).
Pluripotent bedeutet, dass die Zellen in der Lage sind sich in eines der drei embryonalen Keimblätter zu entwickeln [11]. Die drei Keimblätter bilden sich nach Befruchtung der Eizelle, wenn die sogenannte Blastula damit beginnt sich zu falten und einzustülpen. Ein Prozess, welcher als Gastrulation bezeichnet wird [12-14]. Die Bereiche auf der Oberfläche werden Ektoderm genannt. Aus dem Ektoderm gehen später die Körperoberfläche, aber auch das Nervensystem hervor. Im Inneren befindet sich das Entoderm, welches später u.a. das Verdauungssystem bildet. Und quasi dazwischen liegt das Mesoderm, aus welchem letztlich das Immunsysteme, aber auch Herz und Bindegewebe, sowie die Muskeln gebildet werden (GIF2)[11].
GIF2: Die Gastrulation. Auf der befruchteten Eizelle (1) differenzieren sich (neben dem Ektoderm) zunächst Zellen des Entoderms (2), die dann schrittweise ins Innere einwandern (3 & 4). Am Ende bildet sich dann quasi eine Art „Rohr“ und in diesem dann auch das Mesoderm (5). Die äußere Membran der Eizelle stellt das Ektoderm dar. Ausgehend vom „Rohr“ passiert dann alles weitere. Made by Chapper - unrestricted use allowed
Welche Art Keimblatt entsteht ist von weiteren Transkriptionsfaktoren und Signalmolekülen abhängig [13]. Im Gegensatz zu den omnipotenten Stammzellen, sind die pluripotenten Stammzellen jedoch nicht mehr in der Lage ein komplett neues Lebewesen zu erzeugen, sondern eben nur eines der drei Keimblätter bzw. eben Zelltypen, welche sich von diesen ableiten. Auch darf nicht vergessen werden, dass bei den induzierten pluripotenten Stammzellen bereits die Chromosomenenden oder Telomere verkürzt sind (mehr dazu hier, hier und hier).
Nichtsdestotrotz stellt diese Technologie die Grundlage für die Zucht definierter Organoide dar. Auch gibt es mittlerweile Ansätze verschiedene Organoide zu erzeugen und diese miteinander zu verbinden. Dies wird auch als „Body on a Chip“ bezeichnet [4]. Ihr habt dann auf solchen Chips verschiedene Organoide und ein künstliches Blutgefäßsystem, welches diese verbindet.
Größte Herausforderung dabei ist hier sicherlich die optimale Etablierung dieses Blutgefäßsystems [15].
Vielversprechende Ansätze zur Bildung eines solchen Kreislaufes sind die Verwendung spezifischer Mikrochips mit Minikanälchen oder der Einsatz von Nanogelen, ähnliche den Matrigel. In beiden Fällen werden dann Endothelzellen eingebracht, die anschließend ein Blutgefäßsystem ausbilden. Auch größere Gefäße lassen sich auf diese Weise züchten und wurden auch bereits erfolgreich in Tiere überführt [15].
Das Hauptproblem stellt aber nicht die Zucht der Blutgefäße in der Zellkulturschale oder die Verbindung mit den Organoiden dar. Die Hauptschwierigkeit besteht letztlich darin diese Strukturen nach erfolgreicher „Organzucht“ zu verpflanzen und sicherzustellen, dass a) der Patient das Kunstorgan nicht abstößt und b) das Blutgefäßsystem des Patienten sich rasch mit jenem des Organoids vereinigt [15].
Bis heute sind die Signale noch nicht vollständig aufgeklärt, die letztlich eine Verbindung herbeiführen würden. Kommt die Verbindung nicht rechtzeitig zustande, so sterben Großteile des künstlichen Organs ab, denn ab einem bestimmten Volumen kommen solche Strukturen ohne Blutgefäße einfach nicht mehr aus [15].
Eine der bisher erfolgreichsten Ansätze ist die Zucht und Transplantation von Leberfragmenten [16].
Die Leber gehört zu jenen Organen, die sich sehr gut regenerieren können. Trotzdem kommt es oft zu Schädigungen durch Gifte, Alkohol, sowie zu Erkrankungen wie Hepatitis oder der Fettleber [17, 18]. Organoide eigenen sich hier exzellent zur Therapie, weil diese zügig aus eigenem(!) Material gezüchtet und relativ problemlos transplantiert werden können. Da man auf körpereignes Material zurückgreift, umgeht man Abstoßungsreaktionen. Auch bedarf es nicht der Herstellung einer kompletten Leber. Bereits Fragmente reichen völlig aus, um die geschädigten Bereiche zu erneuern. Und das Beste an der Sache ist, dass ihr nicht erst aufwendig Stammzellen suchen oder programmieren müsst. Normale Leberzellen reichen bereits völlig aus. In Mäusen wurde dies jedenfalls schon erfolgreich durchgeführt.
Andere Ansätze zur Zucht von Organen bestehen in der Übertragung von induzierten pluripotenten Stammzellen in Schweine [19].
Hierfür werden transgene Schweine hergestellt, die bestimmte Organe durch genetische Manipulation selbst nicht mehr bilden können. Eine derart veränderte Eizelle (die Herstellung ist mit CRISPR/Cas eigentlich kein Problem) wird dann mit induzierten pluripotenten Stammzellen des Patienten kombiniert. Anschließend wachsen Tiere heran, die menschliche Organe bilden. Ab einer bestimmten Größe können die Organe schließlich entnommen und verpflanzt werden [19].
Selbstverständlich ist die immunologische Kontrolle bei Übertragung von Tieren auf Menschen sehr schwierig. Problematischer an dieser Sache sind aber vor allem ethische und strafrechtliche Aspekte [20]. Fraglich ist beispielsweise inwieweit es sich hier noch um ein 100%iges Schweinen handelt? Bedenkt, dass die Ferkel von klein auf mit genetischem Material aus Menschen heranwachsen. Was dies mit den Schweinen macht ist noch völlig unklar. Wäre die Tötung des Schweins zur Entnahme von menschlichen Organen ein Tötungsdelikt im strafrechtlichen Sinne? Was machen diese Organe mit den Empfängern? Beziehungsweise sollte man sich fragen, ob die leichtfertige Erschaffung solcher Hybridwesen überhaupt zulässig ist.
Wenn ihr mich fragt ist die letztere Variante (Organe in Schweinen züchten) trotzdem eine der vorerst vielversprechendsten, denn nach Umsetzung der biotechnologischen Anforderungen, wird die Organzucht weniger schwierig als in Kulturgefäßen. Kritisch ist hier vor allem Moral, Ethik & Strafrecht.
Der Weg über die Organoide wird letztlich jedoch wahrscheinlich die Zukunft sein.
Und selbst ich habe schon Organoide gezüchtet.
Dies fiel mir aber erst auf als ich diesen Post hier verfasst habe.
Vor Jahren forschte ich an dem Glykoprotein Clusterin. Clusterin kommt primär außerhalb der Zelle vor und wirkt hier als molekulares Chaperon (Protein, dass auf andere Proteine aufpasst). Clusterin ist demnach ebenfalls in der EZM zu finden und weißt auch Ähnlichkeiten zu den EZM-Komponenten auf. Seinen Namen trägt es deshalb, weil es in der Lage ist Zellen zu „clustern“, also miteinander zu vernetzen, zu aggregieren [21, 22].
Irgendwann wollte ich mal wissen, ob dies mit der Zellaggregation tatsächlich funktioniert und habe folgendes gemacht:
Ich nahm ein paar menschliche embryonale Nierenzellen zur Hand, in welchen wir die Bildung von Clusterin nahezu vollständig unterbunden hatten. Zur damaligen Zeit gab es noch kein CRISPR/Cas, deshalb haben wir das mit shRNAs gemacht, deren Sequenz wir stabil ins Genom der Zellen integrierten. Ein sogenannter stabiler Knockdown war entstanden.
Anschließend habe ich Zellkulturgefäße mit einer Mischung aus Agarose und Agar beschichtet damit sich die Zellen nicht mehr absetzen konnten. Nach ein paar Tagen war tatsächlich erkennbar, dass nur die Zellen, welche Clusterin noch herstellten Aggregate bildeten. Zellen ohne Clusterin blieben vereinzelt.
Abbildung 3: Chappers Organoidzucht! A. Western Blot, welcher zeigt, dass in unseren stabilen Knockdowns (shCLU) kaum noch Clusterin vorhanden war. sCLU (sekretorisches Clusterin) ist dabei jenes Clusterin, welches die Zelle nach außen hin abgibt. Die eine Bande (Supernatants!) ist dicker als die andere, weil ich die Zellen mit etwas stimuliert habe, was ich aber an dieser Stelle nicht verrate 😉. B. shScr (Scr = Scrambled oder Rührei, also irgendwas zusammengemauscheltes) sind die Kontrollzellen, die noch Clusterin bilden. Ihr seht, dass die Zellen ohne Clusterin (shCLU) einzeln vorliegen. Die Zellen mit Clusterin (shScr) hingegen bilden schöne dicke Aggregate (Organoide? Wer weiß!). Die Zellen wurden, wie im Text angemerkt, in mit Agarose & Agar beschichteten Zellkulturgefäßen kultiviert, um deren Anheftung an den Untergrund zu verhindern. Made by Chapper - unrestricted use allowed
Inwieweit dies als Organoide zu bezeichnen ist, sei mal dahingestellt.
Es soll euch lediglich zeigen, dass dieses ganze Feld absolut kein Hexenwerk ist und selbst jemand wie ich, der anscheinend viel zu viel lange Weile hatte, kann sowas schon ansatzweise und quasi nebenbei durchführen.
Mit den heutigen technischen Möglichkeiten sollte es daher nicht mehr allzu lange dauern.
Wenn ich es richtig verstanden habe, so kommen auf einen Spenderorgan zehn Leute, die eben jenes brauchen. Der Grund ist u.a., dass viele Leute gegenüber solchen Sachen misstrauisch sind, weil sie befürchten, man würde ihnen voreilig „den Stecker ziehen“, wenn sie schwer verletzt oder erkrankt sind, um schleunigst an deren Organe zu gelangen. Inwieweit dies begründet ist kann ich nicht einschätzen. Fakt ist aber, dass dieses 1:10-Verhältnis auf herkömmlichem Wege schwer zu kompensieren ist. Am Ende stehen endlose Debatten, verunsicherte Bürger und Patienten, für die es immer noch keine gescheite Lösung gibt.
In dem Falle sind natürlich die Wissenschaftler gefragt Lösungen zu erarbeiten. Und diese Lösungen sind gar nicht so schwierig zu erlangen wie ihr sehen konntet. Problem hier ist letztlich, dass kein gut ausgebildeter Naturwissenschaftler, der bei klarem Verstand ist für „ein Appel und ein Ei“ 80 Stunden die Woche arbeitet, um letztlich nach 10 Jahren als überqualifizierte Mumie auf der Straße zu stehen. Wenn die Politik also groß das Thema Organspende auf die Tagesordnung setzt, dann soll sie doch bitte schön auch dafür sorgen, dass langfristige Lösungen überhaupt erarbeitet werden können. Ich habe viele talentierte Wissenschaftler gesehen, aber die meisten werden niemals zurück in die Akademie gehen und die nächste Generation wird sich noch weniger einfach verarschen lassen wie wir einst.
So sieht es leider aus!
Es hängt also wieder alles mehr oder weniger an Politik und Wirtschaft. Sprecht die Leute ruhig mal auf solche Themen an und sensibilisiert sie dafür, dass es durchaus Möglichkeiten gibt das Problem mit der Organspende konstruktiv zu lösen. Letztlich sind es Politik und Bürokratie und nicht die Technologie die hier limitieren.
Ein solcher Einwand in diese Richtung sei mir am Ende einfach mal gestattet.
Bis bald
Euer Chapper
Quellen:
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- W. Janning, E.K., Genetik: Allgemeine Genetik - Molekulare Genetik - Entwicklungsgenetik. 2004: Georg Thieme Verlag.
- Chiori, R., et al., Are Hox genes ancestrally involved in axial patterning? Evidence from the hydrozoan Clytia hemisphaerica (Cnidaria). PLoS One, 2009. 4(1): p. e4231.
- Simian, M. and M.J. Bissell, Organoids: A historical perspective of thinking in three dimensions. J Cell Biol, 2017. 216(1): p. 31-40.
- Müller-Esterl, W., Biochemie: Eine Einführung für Mediziner und Naturwissenschaftler. 2004: Spektrum Akademischer Verlag.
- Lee, E.Y., G. Parry, and M.J. Bissell, Modulation of secreted proteins of mouse mammary epithelial cells by the collagenous substrata. J Cell Biol, 1984. 98(1): p. 146-55.
- Lee, E.Y., et al., Interaction of mouse mammary epithelial cells with collagen substrata: regulation of casein gene expression and secretion. Proc Natl Acad Sci U S A, 1985. 82(5): p. 1419-23.
- Orkin, R.W., et al., A murine tumor producing a matrix of basement membrane. J Exp Med, 1977. 145(1): p. 204-20.
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- Takahashi, K. and S. Yamanaka, Induction of pluripotent stem cells from mouse embryonic and adult fibroblast cultures by defined factors. Cell, 2006. 126(4): p. 663-76.
- Kimelman, D. and K.J. Griffin, Mesoderm induction: a postmodern view. Cell, 1998. 94(4): p. 419-21.
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- Püschel, Taschenlehrbuch Biochemie. 2011: Thieme Verlagsgruppe.
- al., G.e., Taschenlehrbuch Physiologie. 2. Auflage ed. 2015: Thieme.
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- Blaschuk, O., K. Burdzy, and I.B. Fritz, Purification and characterization of a cell-aggregating factor (clusterin), the major glycoprotein in ram rete testis fluid. J Biol Chem, 1983. 258(12): p. 7714-20.
- Fritz, I.B., et al., Ram rete testis fluid contains a protein (clusterin) which influences cell-cell interactions in vitro. Biol Reprod, 1983. 28(5): p. 1173-88.
hammer Artikel. Mehr lernt man in einer Woche EvoDevo auch nicht. Bei isolierten Stammzellen in der Schale entscheidet "das Feld" was die Zelle wird. Kann mir nicht vorstellen dass es bei vordifferenzierten Zellen allein am biochemischen Millieu liegt.
Hi Lauch! Vielen Dank für Comment, Upvote, Resteem!
Was genau ist EvoDevo?
Und, welches Feld meinst du? Dies hier etwa?
Tatsächlich kann man durch spezifische Signalmoleküle, das Schicksal der Stammzellen lenken. Zellen des Herzens etwa durch Activin/Nodal- & BMP-Signaling.
Beste Grüße
Chapper
evolutionary developmental biology bzw. Evolution und Entwicklung
Ja genau ein morphisches Feld (aus allen möglichen Faktoren bestehend) über die chemischen Morphogene hinaus. Es gilt ja als gesichert dass bsp. Mechanatransduktion die Umwandlung von Satelitenzellen in Muskel und Knochenzellen steuert. Druck, Zug-, Scherkräfte
Stelle mir die Faktoren wie ein Symphonie oder einen Fingerabdruck aus verschiedenen Faktoren vor.
sehr interessant! obwohl es auch klar ist dass am Ende der Transduktionskette ein Signalmolekül steht. Upstream könnten es immer noch irgendwelche pysikalischen parameter sein. Muss ja, so ein Zellklumpen im Uterus ist komplett symetrisch und alle Zellen sind gleich und dezentral.
Einen schönen Tag und viele Grüße zurrück!
Hi @lauch3d,
da hast du völlig recht. Der Einfluss von physikalischen Faktoren wird auf jeden Fall nur unzureichend abgedeckt und könnte durchaus das eine oder andere Rätsel, nicht nur in der Entwicklungsbiologie, sondern auch in anderen biologischen Feldern, lösen. Aber du weißt ja wie das immer ist. Bis die werten Herren sich mal zusammensetzen und es dann auch noch schaffen, die gleiche Sprache zu sprechen, kann es dauern. Ich bin ja, wie du weißt, ein Fan der interdisziplinären Forschung, einfach weil ich mir meiner Stärken und Schwächen bewusst bin. Viele haben allerdings Angst davor, wenn ihnen einer die Butter vom Brot nimmt. Ich denke mir: „Dann muss ich es halt nicht alles selbst rausfinden!“.
Aber wie dem auch sei, in den nächsten Jahren kommen bestimmt ein paar nette Überraschungen auf uns zu.
Steem on
Chapper
Klasse Artikel,
bei dem selbst ich noch dazu gelernt habe. Herzlichen Dank.
Gibt es Erkenntnisse zur Aktivierung und zum Zusammenspiel der HOX-Gene bei zentralnervösen Prozessen der Nervenzellenbildung bzw. Ausbildung von Synapsen?
Sprich ist es möglich oder denkbar, dass über Aktivierung spezifischer HOX Gene in Fällen in denen beispielsweise ein Querschnitt vorliegt eine Nachwachsen von Nervenfasern zu induzieren - sprich die Ausbildung von Axonen zur Überbrückung eines Querschnittes wieder zu aktivieren?
Herzliche Grüße und vielen Dank!
What an anniversary post. Fascinating, frank discussion about possibilities and obstacles. You fairly assess the concern that people have about donation, a concern you do not brush off because, unfortunately, not all actors in the transplant pipeline operate with sterling ethics.
I liked best your honesty about the ethical issues surrounding cross species organ development. Should we do something because we can? Should we do something because our need is great?
Big, big questions.
So glad you're not tired from all that blogging on Steemit. Neither am I.
Congratulations on your anniversary and on a truly great blog.
Cheers, and good health.
Regards, AG
Hey @agmoore, thanks for your support again. Organ donation is a pretty difficult field. Nevertheless, it is probably one of the issues where multiple actors are involved. These are politics, health industry, religion, social science, and especially various types of scientific fields such as molecular biology, zoology, medicine, genetics, biochemistry, biophysics, engineering, physics, chemistry. In short, probably no other field shows us 1) the high need for interdisciplinary research and cooperation and 2) that science is something which concerns EVERYONE.
In Germany the scientists have a lot of trouble du to decision which have been made by the government more than 10 years ago. Today it is pretty hard to create a fruitful environment to solve big problems like regenerative medicine. But even more scientific fields are in free fall.
Sad but true
Chapper
I'm going to have to look up the regulations. There's a place for the humanities in science (isn't that the lesson of Frankenstein?) but ignorant obstruction is dangerous.
You are definitely right. Like in the case of every invention is the moral and ethics of huge importance. Unfortunately, these are things which are often ignored. And this is the reason why an interdisciplinary interplay is so important.
Therefore: Good point! I mostly just see the technological advance ;-)
Best
Chapper
My MA is in the "Humanities", whatever that means--I guess it means I take a broad view of everything and anything.
Just spent a while looking up information on organ transplants--nothing better to do on a Sunday? 😁 Found this interesting document,State incentives to promote organ donation: honoring the principles of reciprocity and solidarity inherent in the gift relationship which addresses in detail the issue of organ transplantation. It reiterates your point that the problem is public policy, not science. I didn't find the German law you referred to, but this document has an international perspective. You probably know all these arguments, because your field of research is related, but I found it interesting reading.
Have a great Sunday. I'm going to relax now, do some creative writing, and editing for a friend.
Warm regards,
AG
U2. Found your comment to late, therefore have a nice new Weekend.
Best
Chapper
Posted using Partiko Android
🙂
Wow genialer Jubiläumspost!
Zeit vergeht doch schnell:D
Das die Zellen im Axolotl wissen, welches Körperteil sie sind ist echt sehr interessant. Das wird bestimmt irgendwann mal als Vorlage für uns Menschen dienen. (vielleicht humanoiden, die so cyborg artig aufgebaut sind:D)
Organzucht in Schweinen ist echt krass, aber die ethischen, moralischen Fragen die du da ansprichst werden mit Sicherheit eine große Hürde darstellen.
Wäre aufjedenfall ein riesiger Schritt für die Medizin und könnte sehr umfangreich eingesetzt werden.
Wie immer ein sehr sehr informativer Artikel und den Einwand am Ende finde ich auch sehr gut und wichtig.
Grüße!
Haha, @urdreamscometrue,
du wirst es nicht glauben, aber ich habe tatsächlich mit dem Gedanken gespielt mir einen Cyborg auf Grundlage von Organoiden auszudenken, welcher über sein Gehirn mittels IOTAs gesteuert wird. Habe die Idee aber verworfen, weil es doch etwas zu crazy ist.
Klar, dass ihr auf auch auf sone Idee kommt.
Gruß
Chapper
Sehr inspirierend, danke! Jetzt hab ich richtig Bock, wieder ein bisschen Bioinformatik-Scriptkiddie zu spielen. Und transgene Schweine sind ja wohl win-win: Organe transplantieren, den Rest aufn grill. Die Viecher werden bestimmt dann auch besser gehalten und behandelt als die armen, die nur aufn Grill kommen... 😎
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Haha, da hast du natürlich recht. Hab' ich so noch garnicht betrachtet!
Besten Dank und viel Erfolg beim Daten hin- und herschieben.
Chapper
Danke für diesen ausgewogenen Artikel und auch die kritischen Gedanken, die die Wissenschaftler sich meiner Meinung nach immer stellen sollten.
Ein überaus schwieriges Thema.
Seit die deutsche Bundesregierung das Thema der Transplantationsmedizin beschlossen hat, zu unterstützen und auch andere europäische Länder sich dem angeschlossen haben, scheint es lediglich eine Pro-Argumentation zu geben. Aus meiner Sicht ist die Aufklärung durch die Regierung und die Krankenkassen unzureichend.
Ich schrieb einen sehr langen Artikel zu dieser Thematik: https://steemit.com/deutsch/@erh.germany/organspende-wann-ist-ein-mensch-wirklich-tot
In den modernen Zivilisationen ist es so, dass zwar die Volksgesundheit und Lebensdauer der Menschen gestiegen ist, allerdings gibt es Zivilisationserkrankungen, die vorher wohl eher nicht vorhanden waren wie etwa Diabetes, Immunerkrankungen und vor allem psychische Probleme.
Jede medizinische, technologische oder soziale Errungenschaft produziert ihrerseits wieder Downsides, die sich auf die Gesundheit negativ auswirken, genau wie sie Upsides hat. Man kann dem nicht entkommen, ganz gleich, wie fortgeschritten die Medizin ist.
Da wir alles haben, alles essen und überall hinreisen können, tun wir das natürlich auch. Der Mensch nimmt, was verfügbar ist. Die Verfügbarkeit in modernen Gesellschaften ist eine hohe Herausforderung an den Einzelnen und stellt die Menschen auf eine Probe, die einem meistens erst klar wird, wenn man älter wird. Freiwillig auf die Annehmlichkeiten von Zucker, Fett, Unterhaltung und Mobilität zu verzichten und es als Gewinn zu erachten, ist nicht leicht.
... Ich weiß nicht. Ich werde im nächsten Jahr fünfzig und lebe somit schon sehr viel länger, als meine Vorfahren. Sollte ich tot umfallen, so könnte ich behaupten, ein reiches, aufregendes, erfüllendes und interessantes Leben geführt zu haben. Die Bereitschaft jedoch, den Tod plötzlich zu begrüßen, ist nichts, was man gelehrt bekommt. Spirituelle Einsamkeit ist der Preis, den wir als Individualisten in einem komplexen System zahlen. In meinem Alter erkenne ich, dass der Spaß im Leben nicht alles ist und dass man etwas Tieferes und Stilleres, gleichwohl Schöneres sucht als es pure Unterhaltung liefern kann. Angst vor dem Sterben oder vor Leiden ist wohl nach wie vor eine dem Wirtschaften unterlegte Motivation. Die Ernährungs- und Unterhaltungsindustrie scheint der medizinalen Industrie ihre beste Quelle zu sein. Für die Beschaffung der enormen Energiemengen, die dafür benötigt werden, haben wir mehr als die bloße Ahnung, dass ein wirtschaftliches Wachstum eine schlechte Idee ist.
Ich bin nicht sicher, ob die Idee der künstlich erzeugten Organe etwa besser ist. Vielmehr stelle ich mir die Frage, wie weit ich eigentlich zu gehen bereit bin, wenn man mir eine schlechte Gesundheit/Organ attestiert. Ich neige dazu, zu denken, dass Medikamente und andere Therapien den Menschen eher ermutigen, seinen Lebenswandel nicht zu überdenken und so weiter zu machen wie gewohnt. Immer, wenn es ein Mittel gibt, nehmen die Leute das Mittel, verändern aber nur schwer oder gar nicht ihre Gewohnheit. Ich selbst merke, wie schwer es mir fällt, meine Ernährung an mein Alter anzupassen. Aus Erfahrung weiß ich, dass Veränderungsprozesse am besten langsam erfolgen und keine radikalen Maßnahmen sein sollten.
Hi @erh.germany,
deine Gedanken sind absolut angebracht. Ich habe vor ein paar Monaten mal einen Artikel über Entropie gemacht. Der Artikel war sehr umstritten, greift jedoch im Kern Aspekte auf, die du in deinem Kommentar vorwegnimmst. Die zunehmende technologische Entwicklung schafft oft Probleme, die durch zunehmende technologische Entwicklung wieder kompensiert werden müssen und dann entstehen durch die Neuentwicklungen wieder neue Probleme ... ein Teufelkreis.
Bei alledem ist es wichtig zu überlegen ob die Dinge, wie sie laufen so richtig sind. Durch meine Arbeit (ich arbeite als Analyst im Bereich molekulare Diagnostik) weiß ich, dass die meisten Menschen alles nach dem Motto sehen "Höher-Schneller-Weiter". Oft ist es schwierig zu vermitteln, dass der Mittelweg eigentlich der korrekte Pfad ist. Wenn eine Zelle extreme Leistungen zeigt, dann klatschen alle Beifall. Tatsächlich zeigt sich für mich an so einer Stelle, dass irgendwas nicht ganz im Gleichgewicht ist.
Deshalb sollte sich jeder Fragen: Befinde ich mich in einem gesunden Bereich oder ist das was passiert und was ich tue schon eher als pathologisch anzusehen.
Häufig rühren viele Probleme, meines Erachtens nach, aus solchen Entgleisungen.
Leute, die starke Organschäden haben, und davon gibt es leider recht viele, wird dies allerdings nur selten helfen. Woher diese rühren hat oft verschiedene Ursachen. Häufig kommt die Lebensweise hinzu, oft hat man einfach nur Pech gehabt.
Was die richtige Strategie ist hängt letztlich davon ab wie gut sich alle Akteuere (von harter Naturwissenschaft, über die Administration bis zum Klerus) koordinieren können
Ich bin immer wieder ertaunt in was für einer spannenden Zeit wir leben
Gruß
Chapper
Danke dir.
Deinen Artikel über Entropie habe ich gelesen und fand ihn sehr interessant. Die Pendelbewegungen zwischen Ordnung und Unordnung erscheinen mir wie eine kosmische Konstante, die, in ihrer Gesamtheit betrachtet, Sinn machen. Die chaotischen Vorgänge im Universum und die sich der Ordnung widersetzenden Ereignisse sind Phänomene, die wir erkennen, aber nicht immer erklären können. Ursachenforschung ist überaus schwierig. Wenn es dann um das einzelne menschliche Leben geht, kann man demgegenüber nicht ganz so abgeklärt sein, wie wenn man über den Untergang einer Zivilisation spricht, die keine Wachstumsbegrenzung in ihre Überlegungen eingefügt hat (wie in deinem Beispiel des römischen Reiches).
Eigenes pathologisches Verhalten zu erkennen, ist recht schwierig und wir sind alle auf Menschen angewiesen, die uns korrekt spiegeln.
Du hast Recht, jede Innovation, die sich für einen Bereich als nützlich erweist, erschwert oder schädigt einen anderen Bereich. Nichts in der Welt hat eindimensionale Ursachen und Wirkungen.
Bei der Isolierung von Genen und deren Beeinflussung frage ich mich immer, wie man es eigentlich bewerkstelligen will, alle anderen im menschlichen Körper befindlichen Mikro-Organismen und deren Reaktionen vorherzusehen ... ? Mir steigt diese Komplexität von Systemen oftmals über den Kopf.
Spannend sind die Zeiten, in der Tat. Manchmal auch beängstigend und manchmal ermutigend...
Um ehrlich zu sein habe ich keine Ahnung ob es jemals klappen wird einen Organismus in seiner Gesamtheit zu verstehen. Zumindest nicht mit den gegenwärtigen Herangehensweisen. Es ist wie ein Wald mit lauter Bäumen.
Vielleicht sollte man einfach mal eine kleine Anhöhe suchen und den bick nochmals schweifen lassen.
Wer weiß was als nächstes kommt.
Einen schönen Feiertag dir
Gruß
Chapper
P.S.: Es gab von Douglas Adams mal ein schönes Zitat, welches auch in meiner Diplomarbeit stand. Es lautet: Wenn man einen Katze auseinandernehmen will, um zu sehen wie sie funktioniert, hat man zunächst eine nicht-funktionierende Katze!
HaHa! Gutes Zitat! Douglas Adams ist immer eine Quelle von Spaß und Inspiration.
Ich hatte mich beizeiten mal gefragt, ob das menschliche Blut, wenn man es erst einmal entnommen und dann zur Laboruntersuchung gibt, nicht bereits ein verfälschtes Bild zeigt. Und fragte mich: Müsste man nicht das Blut IM Körper lassen, um es zu untersuchen? :-) Eine interessante Forschungsfrage, wie ich finde. Wie würde so etwas gehen?
So gesehen leben wir stets nach dem Motto: "Gut genug." Was auch nicht immer übel ist, besonders vom psychologischen und nicht biologischen Standpunkt aus.
Ich wünsch dir auch einen schönen Freitag, obwohl Montag ist. LOL .....Ach, warte ... du hast FEIERTAG geschrieben!
Wahrscheinlich ist das Blut dann schon anders!
Wie man es im Körper untersuchen kann? Keine Ahnung!
Ich werde mich mal kundig machen und gebe die dann nochmal Feedback.
Danke für die Steilvorlage!
Gruß
Chapper
Danke für den tollen Artikel und vor allem auch für deine persönlichen Anmerkungen. Resteem!
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Hey @kadna,
schön, dass du mal wieder vorbeischaust und vielen Dank für's resteemen.
Die persönliche Anmerkung war einfach mal überfällig.
Ich freu mich, dass dies dir gefallen hat.
Bis bald
Chapper
Für Laien wie mich sind solche Anmerkungen sehr nützlich. Danke.
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Na so ein Laie bist du auch nicht mehr. Immerhin liest du regelmäßig meinen Blog. ;-)
Genieß den schönen Feiertag.
Gruß
Chapper
Ich finde es auch sehr interessant, verstehe aber nicht alles und merken kann ich es mir schon gar nicht. ;-)
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Sag ruhig was du konkret nicht ganz verstehst, so kann ich die Artikel künftig optimieren!
Gruß
Es liegt eher an meinem "Denken". Vieles erfasse ich in seiner Essenz und gehe nicht in eine Detailtiefe, die nötig ist, wenn ich konkrete Fragen hätte... ;-) LG Kadna
Kenne ich. Meistens versuche ich die Kernbotschaft zu verstehen und fertig. Für Posts suche ich dann die Details die nötig sind zusammen. Beste Grüße Chapper
Danke für deinen sehr informativen Artikel.
Die Axolotl finde ich sehr originell, sowohl
vom Aussehen her, als auch von ihren erstaunlichen
Fähigkeiten.
Es ist schon faszinierend, wie unterschiedlich
die Lebewesen und die Natur ist.
Viele Grüße.
Axolotl sind echt tolle Viecher. Wollte mir auch mal welche holen, da man aber nie die (ohne Pflanzen oder Fische) halte kann, hab ich es gelassen. Wir haben auch ein Dachgeschosswohnung und im Hochsommer ist es schon schwer genug die Temperatur im Tropwnaquarium zu halten. Axolotl brauchen es richtig kalt, so um die 20 Grad und tiefer, glaub ich. Zu schwierig!
Grüße
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