Wie Doppelmoral unsere Moral verändert – Ein persönlicher Realitätscheck

Einleitung

Es gibt Momente, in denen man merkt, dass sich nicht nur die Welt verändert hat – sondern auch man selbst. Früher hätte ich vieles klarer eingeordnet: Ein Bild einer Person aufzuhängen und symbolisch darauf einzuschlagen, hätte ich als Entmenschlichung gesehen, als gefährliche psychologische Programmierung. Heute merke ich, dass ich bei denselben Bildern anders reagiere. Nicht mehr mit Empörung, sondern mit einem gewissen Gefühl von „das habt ihr euch selbst eingebrockt“.

Diese Verschiebung ist kein Einzelfall. Sie zeigt, wie moralische Doppelmoral nicht nur spaltet, sondern die moralische Mitte in uns allen verschiebt.


Der Wendepunkt

Ich erinnere mich an den Punkt, an dem ich das erste Mal dachte: „Früher hätte ich das verurteilt – heute halte ich es für gerecht.“ Der Auslöser war kein einzelnes Ereignis, sondern eine Kette von Erfahrungen, in denen ich sah, wie aggressive Rhetorik, mediale Schmähung und moralische Brandmarkung gegenüber bestimmten Personen plötzlich akzeptabel wurden – solange die Richtung stimmte. Und dann, wenn dieselben Mechanismen plötzlich andere trafen, ertönte der Ruf nach Anstand, Toleranz und Menschlichkeit.

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Da begriff ich, dass Doppelmoral nicht nur ein Zeichen politischer Heuchelei ist – sie ist ein psychologisches Gift. Sie zerstört Vertrauen, verschiebt Maßstäbe und erzeugt Gegengewalt im Inneren.


Doppelte Maßstäbe im moralischen Spiegel

In jüngster Zeit häufen sich Fälle, in denen ein und dasselbe Symbol – etwa das Abbild einer Person als Zielscheibe oder als Objekt eines „humorvollen“ Schlages – völlig unterschiedlich bewertet wird. Wird es gegen politische Gegner eingesetzt, gilt es oft als zugespitzte Satire. Trifft es hingegen eine Person aus dem eigenen Lager, wird es als Angriff auf die Menschlichkeit gedeutet.

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Diese Asymmetrie verrät mehr über den Zustand unserer Moral als über die jeweilige Tat. Denn was einmal als „gerechtfertigt“ gilt, verliert seinen ethischen Maßstab. Es entsteht ein moralisches Paradoxon: Diejenigen, die den Respekt einfordern, den sie selbst verweigern, merken nicht, wie sehr sie das Fundament ihrer eigenen Glaubwürdigkeit aushöhlen.


Wie sich Moral heimlich verschiebt

Ich merke, wie sich mein moralisches Koordinatensystem verschoben hat – leise, schleichend, fast unmerklich. Früher war meine Reaktion auf Hass, Spott oder symbolische Gewalt eindeutig: Das war falsch, egal gegen wen. Heute zucke ich bei denselben Mustern nicht mehr. Ich denke: „Jetzt seid ihr mal dran.“ Und genau in diesem Satz steckt das ganze Problem.

Es ist die Logik der Vergeltung, getarnt als Gerechtigkeit. Sie fühlt sich im Moment befreiend an, weil sie den Schmerz ausgleicht, den man selbst ertragen musste. Doch sie ist das Gift, das bleibt, wenn die Empörung längst verklungen ist.

Ich habe gelernt, dass Doppelmoral nicht nur das Vertrauen in andere zerstört, sondern auch die Fähigkeit, sich selbst treu zu bleiben. Man beginnt, die eigenen Prinzipien taktisch zu dehnen. Man findet Begründungen, warum es diesmal „gerecht“ ist, was man früher verurteilt hätte. Und genau das ist der Moment, in dem Moral aufhört, Kompass zu sein – und zum Werkzeug wird.


Warum das das Schlimmste ist

Denn wenn Gerechtigkeit ihren inneren Maßstab verliert, verwandelt sie sich in etwas, das aussieht wie Moral, aber keine mehr ist – nur noch Reaktion. Das ist das eigentliche Opfer: nicht die politische Kultur, sondern die persönliche Integrität. Die Freiheit, sich nicht vom Hass der anderen anstecken zu lassen. Wenn wir diese Freiheit verlieren, dann haben wir die Doppelmoral nicht besiegt – sie hat uns übernommen.


Fazit: Die innere Freiheit steht auf dem Spiel

Doppelmoral ist keine Randerscheinung – sie ist das Betriebssystem einer Gesellschaft, die den moralischen Kompass verloren hat. Wer sich moralisch überlegen fühlt, aber dieselbe Methode benutzt wie die, die er verurteilt, verliert mehr als nur Glaubwürdigkeit – er verliert die Freiheit, integer zu bleiben.

Die echte Aufgabe liegt deshalb nicht darin, „die anderen“ zu entlarven, sondern sich selbst zu fragen: Wie viel meiner Empörung ist noch echt – und wie viel ist schon Spiegel dessen, was ich bekämpfen wollte?


🜂 Ein Essay von Jan-Philipp VIeth – veröffentlicht auf Steemit 🜂

Sort:  

Das ist doch Panne. Stimmt das mit der Linksjugend Hannover? Wenn ja dann ist das ein schlechter Scherz der strafbar ist.

@anjalein, die Stimme der Vernunft. Und in der Tat: Du hast recht – die Linksjugend bestreitet, diese Aufkleber jemals hergestellt oder verteilt zu haben. Die Polizei ermittelt derzeit noch.

Doch in Zeiten wie diesen genügt oft schon der bloße Anschein. Eine Behauptung muss nur oft genug wiederholt werden – dann wird sie zur gefühlten Wahrheit.

Besonders entlarvend ist jedoch, dass Hass, wenn er „politisch korrekt“ verpackt ist, kaum Empörung auslöst.

„AfDler vergasen“ oder Weidel „Nazischlampe“ – das soll dann keine Straftat sein. Würde man dasselbe über eine andere Partei sagen, wäre der Aufschrei enorm. Diese doppelte Moral verschiebt mit der Zeit unser ganzes Verständnis von Anstand und Recht.

Und wer erlebt, dass offensichtliche Straftaten folgenlos bleiben, beginnt unweigerlich zu verrohen. Die Akzeptanz wächst, dass der andere „es auch mal spüren soll“. Genau wie im Artikel beschrieben, legitimieren viele plötzlich Dinge, die sie früher entschieden abgelehnt hätten.

So werden wir – Stück für Stück – umprogrammiert. Nicht durch Gesetze, sondern durch Gewöhnung.

Ich weiss nicht, kommt auf den Menschen an. Ich bin feinfühlig und habe ein gutes Gespür.
Zu den beiden Ausdrücken die du genannt hast schreib ich dir ehrlich dass wenn jemand gut findet was im Holocaust passiert ist oder diesen leugnet, mich es nicht stören würde wenn so jemand das Selbe blühlt. Geht ja natürlich nicht weil niemand mehr vergast wird und ich würde sowas nie allgemein denken oder geschweige denn sagen.
Ist ja interessant dass genau ein AFD-Befürworter die Weitsicht hat vom langsamen "Umprogrammieren", denn genau was du schreibst ist vor allem eine bewusste AFD Strategie. Erbärmlich wenn man Strategien ausarbeiten muss um Wählerstimmen zu bekommen, dass die AFD in den letzten 2 Jahren Schritt für Schritt mehr extrem wird gehört zu deinem Thema. Verhalten was vor zwei Jahren viele abgeschreckt hätte ist nun OK, weil stetig Politik an der Grenze der Werte betrieben wird, die bei vielen ungefähr gleich sitzen beim Gefühl "das ist aber schon heftig".
LG

@anjalein, ich verstehe, was du meinst – und genau darin liegt das eigentliche Problem. Viele glauben, sie handeln völlig unabhängig, weil sie moralisch „auf der richtigen Seite“ stehen. Dabei wird gerade diese Überzeugung am stärksten instrumentalisiert.

Kein öffentlicher Schritt geschieht zufällig. Kommunikation, Empörung, Empathie – all das wird strategisch eingesetzt, um Haltungen zu festigen und andere zu delegitimieren.

Wer also glaubt, nur die „anderen“ seien anfällig für Manipulation, hat bereits verloren. Denn psychologische Steuerung funktioniert nicht durch Zwang, sondern durch moralische Zustimmung.

Stimmt schon aber es kommt auf die Menschen an. Du und ich z .b. schwimmen nicht mit im Strom wie hypnotisiert, sondern halten immer wieder an und hinterfragen uns und alles um uns "Moment, was passiert eigentlich gerade?" Wem ist in der Corona-zeit aufgefallen, dass plötzlich vermehrt Reportagen im TV kommen über traurige Angehörige von verstorbenen Covid-Opfern, die berichtet haben, z. B. wie schlimm es ist dass der Sarg geschlossen. bleiben muss usw und genau zu diesem Zeitpunkt als festgestellt wurde, dass die Impfbereitschaft niedriger wie erwartet war und zu viel Impfstoff produziert wurde, der nun abläuft. Manipulativ zur Impfung gedrängt! Den meisten fällt sowas nicht auf, das ist die grosse Herde die gesteuert wird. Aber wer steuert die Medien eigentlich? Ich weiss du meinst auch die moralische Zustimmung usw aber am Beispiel Medien, wer sagt den Sendern: "ab jetzt sendet ihr erstmal traurige Fälle von Covid-Opfer", oder "jeder Nachrichtensender schreibt über die blauen Tschernobyl-Hunde aber die Aufklärung erst 3 Tage später".. wer befiehlt was wir sehen und wissen dürfen? Es steckt überall System dahinter und das fällt sensiblen Menschen auf. Der Ablauf dieser Manipulation interessiert mich.