12.10.25 Ein Tag zwischen Sonne und Schatten

in #deutsch9 hours ago

Es gibt diese Tage, an denen alles perfekt sein sollte. Die Sonne scheint über Athen, die Luft ist warm, aber nicht erdrückend, und der Duft von gegrilltem Fleisch steigt in die Luft. Die Familie ist beisammen, es wird gelacht, erzählt, für einen Moment fühlt es sich an, als wäre die Welt in Ordnung. Als könnte man einfach atmen, ohne an morgen zu denken.

Doch manchmal ist das Leben wie ein schlecht synchronisierter Film: Die Bilder stimmen, aber der Ton passt nicht. Schon am Morgen geht etwas schief – es fehlen Grillutensilien, dem einen ist das Fleisch zu viel, andere meinen sie bekommen zu wenig, die Kinder zoffen sich. Kleine Dinge, die eigentlich nicht ins Gewicht fallen sollten. Aber heute tun sie es. Heute fühlt sich jedes Missverständnis, jeder Patzer wie ein Echo an – wie ein leises, hartnäckiges Flüstern, das sagt: „Etwas stimmt nicht.“

Und das tut es auch.

Am Donnerstagabend kam eine Mail aus Köln. Eine dieser Nachrichten, die alles auf den Kopf stellen. Die OP im Mai, diese große Hoffnung, dieser Kampf – sie fand nur statt, weil die Ärzte von drei Metastasen ausgingen. Nicht von sieben. Sieben. Eine Zahl, die sich anfühlt wie ein Tritt gegen die Brust. Plötzlich ist die Situation anders, als ich dachte. Komplizierter. Ernster. Und die Frage, die sich aufdrängt: Hätte man mir die OP überhaupt empfohlen, wenn alle Fakten auf dem Tisch gelegen hätten?

Ich habe gelächelt heute. Ich habe Witze gemacht, das Glas erhoben, so getan, als wäre ich ganz da. Aber innerlich war ich woanders. Das Lachen der anderen klang wie ein Abschied, das Grillen wie eine Trauerfeier. Ich weiß, wie undankbar das klingt – ich weiß, dass jeder Tag ohne Schmerz, ohne Fortschreiten der Krankheit ein Geschenk ist. Ein guter Tag. Mein Verstand versteht das. Aber meine Seele weigert sich, es zu akzeptieren. Sie will schreien, fliehen, sich verkriechen. Am liebsten würde ich jetzt in ein Videospiel abtauchen, in eine Welt, in der ich die Regeln kenne, in der ich gewinnen kann. In der ich einfach ausschalten darf, bis mir die Augen zufallen.

Vielleicht geht es genau darum: dass das Leben kein Spiel ist. Dass es keine Reset-Taste gibt, keine Cheat-Codes, kein „Game Over“, nach dem man neu starten kann. Vielleicht geht es darum, diese Tage – die sonnigen, die schiefen, die traurigen – einfach auszuhalten. Nicht, weil sie perfekt sind, sondern weil sie meine sind.

Und so sitze ich hier, zwischen dem Rauch des Grills und dem Gewicht der Worte aus Köln, und versuche, beides zu ertragen: die Wärme der Sonne auf meiner Haut und die Kälte, die sich in meiner Brust ausbreitet. Vielleicht ist das der wahre Mut – nicht, fröhlich zu sein, wenn man es nicht ist, sondern trotzdem da zu bleiben. Auch an den Tagen, die sich wie eine Trauerfeier anfühlen.

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du darfst genau diese tage haben die sich so bekackt anfühlen,
und oft versucht man das zu verdecken

lass es raus,
bin mir sicher,jeder versteht das

fühl dich umärmelt