Modern Monetary Policy - Gedanken für 2022 und darüber hinaus...

in #deutsch3 years ago

Tachchen,

na das waren doch gestern und heute mal wieder zwei interessante Tage aus geldpolitischer Sicht. Da wird seit der Beerdigung von L.B. im Herbst 2008 eigentlich unisono im Gleichschritt marschiert und die Notenbanken rund um den Globus kennen nur noch ein gemeinsames "Heilmittel" nebst sinkenden Leitzinsen - die Druckerpresse, um irgendwie den wirtschaftlichen Laden am Laufen zu halten.
Ok, die Europäer haben mit Super Mario erst im Jahr 2015 so richtig angefangen auf Einkaufstour zu gehen.

"Whatever it takes"

ist sicherlich noch vielen im Ohr und klingt wie die neue Weihnachtshymne...

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Die Steuerung, im Fall unserer europäischen Geldhüterin, erfolgte mittels dieser toll klingenden QE-Programme wie "APP" (asset purchase programme), "TLTRO" I-III (targeted longer-term refinancing operations) und auch der jüngste Anti-Covid-Booster "PEPP" (pandemic emergency purchase programme). Disclaimer: Ich will an der Stelle nicht schlussfolgern, ob diese Finanzinstrumente gut oder schlecht eingesetzt sind oder ob das langfristig mehr Erfolg bringt oder doch mehr Schaden. Damit setzen sich mittlerweile Gerichte auseinander, die diese Entscheidungen bewerten und darüber urteilen.

Kehrtwende - aus QE wird QT!

Da berichtete der US-Notenbanker und Chairman Powell, das die gegenwärtige Inflation vermutlich doch nicht "transitory" sei und strich ab sofort dieses Wort aus seinem Wortschatz. Wer hätte das schon gedacht?!
Aus dieser Betrachtung und der doch robusteren US-Wirtschaft mit einem stabilen Arbeitsmarkt erwartet die FED nun eine anhaltend höhere Inflation. Dies hat zur Folge, dass die eben beschriebenen Programme, wie ich sie für die EZB skizziert habe nun auch drüben in den USA auslaufen werden. Und das schneller als erwartet. Während die Märkte mit 10 Mrd. USD weniger Ankaufvolumen pro Monat gerechnet haben, sind es ab sofort 30 Mrd. weniger. 90 Mrd. stehen wohl noch aus. Das macht genau noch drei Monate a 30 Mrd. Ergo, ist man im März 2022 mit dem Programm durch und steht als Käufer dann dem Bondmarkt nicht mehr zur Verfügung.

Gleichzeitig betont J.P., dass die Wirtschaft zudem drei Zinsanhebungen nächstes Jahr verkraften werde. "Uff", sagte sich der Aktienmarkt. Erwartet wurden zwei Zinsschritte. Sollte es so kommen, reden wir von insgesamt 75 Basispunkten und stehen Ende 2022 bei 1,00% Fed Funds Rates. Die Goldmänner mal wieder gleich vorgeprescht und präsentieren ihre Wetten in ihrem aktuellen Research. Dabei zogen sie von Juli direkt auf März vor und erwarten den ersten Zinsschritt der FED. Gefolgt von Juni und September.
Naja warten wir mal ab. ...

Interessanterweise und entgegen der üblichen Erwartung, dass die US-Märkte auf dieses Statement, sofort in den Kernbohrungsmodus treten, taten sie genau das Gegenteil und schlossen auf Tageshoch fett im Grünen. Allen voran sogar der Technologieindex NASDAQ, der ja nun wirklich zinssensitiv reagiert. Das soll nun noch einer verstehen! Auf der anderen Seite, haben wir morgen auch noch großen Verfall, also kann es auch von dort noch herrühren, dass die Kurse etwas wild durcheinander geraten.
Während ich diesen Text allerdings gerade schreibe und den NDX auf meinem anderen Monitor betrachte, leuchtet der heute wieder feuerrot und führt auch die rote Laterne deutlich an. Diese Bewegung kann ich schon eher nachvollziehen...

Die EZB tapert auch

wenn auch nicht in diesem Tempo wie die US-Kollegen. So läuft das "PEPP" ebenfalls im März 2022 aus, jedoch "APP" läuft in reduzierter Form bis Ende nächsten Jahres weiter, wenn ich Frau Lagarde heute richtig verstanden habe. Was es hingegen nicht geben wird, sind positive Leitzinsen. Es bleibt bei der 0! Also Sparbuch weiter short!!!

Die Bank Of England (BoE) hebt bereits jetzt an

Um genau zu sein, exakt heute tat sie diesen Schritt, der bereits im November erwartet wurde und beendete damit die Phase der Null-Zinspolitik im Kampf gegen die Inflation. Es ging von 10 Basispunkten rauf auf 25. Insgesamt ein mutiger Schritt. Wütet die Covid-Mutante "Omikron" dort auf der Insel besonders heftig und lähmt die Wirtschaft. Da kommen höhere Zinsen nicht gerade zum richtigen Zeitpunkt.

Den absoluten Vogel
schoss aber der Super-Ökonom Recep Tayyip Erdogan ab! Hingegen wirkt der ehemalige EZB-Präsident Draghi auf dem Bild oben, wie ein lauer Sommerfurz. "Whatever it takes" scheint auch bei dem Diktator das gegenwärtige Pandemic-Purchase-Programme zu sein. Denn bei einem derzeitigen Inflationsstand von ca. 20% gibt es wahrlich nur ein Mittel. Und das sind Zinsen rauf!!! Nicht bei Recep. Nein, hier werden sogar die Zinsen gesenkt, was der türkischen Lira einen weiteren 5% Dip gegenüber dem USD heute verabreicht hatte. Wie scheiß egal kann einem eigentlich sein eigenes Volk sein?! Naja wenigstens gibt es hier kein Bundesverdienstkreuz. Wahnsinn...

Fazit

Zusammenfassend kann man sicherlich feststellen, dass die kommenden Zeiten an den Märkten vermutlich turbulent in Form von erhöhter Volatilität verlaufen werden. In der Regel tun sie das immer, wenn sich das "Drehbuch" ändert. Wenn ich auch keine Jahresprognosen der Index-Stände abgebe, so wie es derzeit üblich ist, - ich find das einfach albern und es bringt auch nix, außer man hat mal wieder einen losgelassen und kann sich einen keulen, wenn man richtig gelegen hat - lege ich mich in der Art fest, dass ich nicht daran zweifle, dass die Anlagen in Produktivkapital wie Beteiligung an Unternehmen über Aktien oder sonstiges, Immobilien etc. weiter zukünftig an Wert gewinnen werden. Wie das Wort "zukünftig" dann aussehen wird, wird uns einzig und allein die Zeit verraten. Nur irgendwann wird es einen Kipppunkt geben, wo auch wieder mehr Alternativen zur Verfügung stehen. Denn Fakt ist auch eines, fängt der Zinserhöhungszyklus erst einmal an, hört der auch nicht nächsten Monat wieder auf. Das zieht sich dann genau wie die Senkungsphase wieder über eine weite Strecke hin. Und genau da erwarte ich dann auch irgendwann, dass sich spätestens dort die Spreu vom Weizen trennt. Soll heißen, unprofitable Geschäftsmodelle und Unternehmen, die bis zur Dachkante verschuldet sind, werden es sehr schwer haben a) zu überleben und/oder b) sich zu refinanzieren. Vielleicht kommt es dann auch mal wieder zu einem knackigen Bärenmarkt wie zur Jahrtausendwende... Wir werden es sehen...