Helden von damals
Allein um die Museen von Weltrang zu besuchen, angefangen von der Tretjakowski-Galerie bis hin zum Puschkin-Museum, könnte man Wochen in Moskau verbringen.
Wir haben aber keine Lust, uns auf Standard-Trampelpfaden zu bewegen, die - so lohnend sie auch sind! - in jedem gewöhnlichen Reiseführer zu finden sind. Nachdem wir uns also vom Georgier und den dort inhalierten Absackern erholt haben, fahren wir heute zum Poklonnaya-Hügel, wo sich das Zentralmuseum des Großen Vaterländischen Kriegs befindet, einer unabdingbaren Pilgerstätte für jeden Russen und daher auch von größtem Interesse für jeden Touristen, der einen ersten Einblick in die "russische Seele" bekommen möchte.
Doch nochmal zurück: Wer im Westen erzogen wurde, hat einen anderen Blick auf die Ereignisse, mit klarem Schwerpunkt auf der Vernichtung des Judentums. Es gab allerdings nicht nur die Shoa, sondern auch eine Politik der physischen Vernichtung der slawischen "Untermenschen" - welche weit mehr Opfer und eine unglaubliche Spur der Verwüstung und Barbarei nach sich zog. Hier geht es, wohlgemerkt, nicht um Gewichtung, sondern um eine Erweiterung des Blicks.
Der Zweite Weltkrieg ist daher für die Russen ein mindestens ebenso traumatisches, wenn nicht noch traumatischeres Erlebnis als für die Deutschen. Für letztere spielt er ja mittlerweile überhaupt nur noch als Geräuschkulisse für die Shoa und damit einhergehende Selbstbezichtigungs- und Zahlrituale für die jetzige Generation überhaupt noch eine Rolle. Für viele Russen, selbst jüngere, ist er noch immer präsent, und zwar auf einer Ebene, die viel emotionaler ist, als wir uns das vorstellen können. Man kann das u.a. daran ablesen, dass das Museum rechtzeitig zum 50. Jahrestags der Kapitulation Deutschlands unter größten Mühen in einer Zeit des totalen Zusammenbruchs der Union wie auch der absoluten Anarchie in Russland fertiggestellt wurde.
Der Gang aus der Metrostation "Park Pobedy" (Siegespark) hinauf zum Museum zieht sich in ungeahnte Längen. Dabei trifft man auf zahlreiche Schulklassen, Ausflugsgruppen aus Russland wie auch zahlreiche Einheiten der bewaffneten Organe, die dort ihren Eid ablegen. Man hat sogar gute Chancen, einige nette kleine Kompanien oder Kompanien in Paradeuniform in Gesang marschieren zu sehen.
Ist man erst vor dem Museum angekommen, hat man einen wirklich unbezahlbaren Blick auf die Moskauer Innenstadt!
Im Zweiten Weltkrieg, der für die Russen nur vier Jahre dauerte, aber dafür fast den kompletten europäischen Teil des Landes bis auf die Grundmauern verwüstete, verlor das Land fast 20 Millionen Menschen und kämpfte wirklich heroisch mit anfangs primitiven Mitteln und Kräften gegen eine skrupellose Dampfwalze aus Deutschland. Es gibt keine Familie, die verschont geblieben wäre. Außer den Engländern gab es in Europa keinerlei nennenswerten Widerstand gegen Deutschland, selbst die großmäuligen Franzosen waren innerhalb weniger Wochen komplett zusammengeklappt. So trug die Sowjetunion bis kurz vom Ende des Krieges die Lasten praktisch alleine. Mehrfache Zusagen des "Westens", eine zweite Front zu eröffnen, erfüllten sich erst, als "Russland" den Krieg bereits gewonnen hatte. Selbst nach der Eröffnung der Zweiten Front war die Westfront ein Kindergarten mit nur schwach besetzten deutschen Truppen im Vergleich zu dem, was im Vernichtungskrieg gegen das Slawentum im Osten ablief.
Das Museum ist noch im alten sowjetischen Stil konstruiert und präsentiert sich eher als Kultstätte des Heroismus denn als Stätte der differenzierten Aufarbeitung, also des postmodernistischen Geschwätzes, wie es bei uns üblich ist. Daher ist es um so interessanter für den westlichen Besucher.
Das Faszinierende an der offenen Parteilichkeit ist die gleichzeitig offensichtliche Ehrlichkeit. Nirgendwo wird Hass gepredigt und über deutsche Besucher freut man sich besonders. Wir haben sogar unsere Kinder in der Fotostube als sowjetische Soldaten verkleidet mit allen möglichen Maschinengewehren und Haubitzen als Frontsoldaten ablichten lassen, was - nachdem wir uns vergewisserten, dass das kein Sakrileg sei - mit äußerster Freude und dem Kompliment, dass die sowjetische Uniform ihnen ohnehin besser stehe als das Schwarz der SS, in ernster und stiller Konzentriertheit durchgeführt wurde.
Wir waren fast den ganzen Tag in dem Museum, das wirklich riesig ist und toll präsentiert. Selbst die Kinder haben nicht genörgelt!
Danach und zum Ausklang des Tages empfiehlt sich unbedingt ein Besuch beim "russischen McDonalds", der Fastfood-Kette "Teremok". Dort gibt es neben wirklich anständigen Suppen überwiegend eines der Nationalgerichte, die "Bliny" in allen Varianten. Die Preise sind relativ günstig und das Zeug wirklich gut. Außerdem werden dort bevorzugt Leute mit Behinderungen eingestellt!
Selbst in Manhattan gibt es eine Filiale mittlerweile, und sollten sie es in der hiesigen Bananenrepublik versuchen, wären sie sich ebenso erfolgreich! Zählt jedenfalls zu den Pflichtbesuchen, wenn man schon in Russland ist!
Was immer geht?
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Lieber leroy, wieder ein interessanter, kurzweiliger Bericht von dir. Ein bißchen weniger Deutschlandbashing wäre dem post nicht abträglich, meine ich.
Auf zu McDonald’s 👍
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