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RE: Ende-zu-Ende-verschlüsselt | End-to-end encrypted

in Dream Steem9 days ago

Das Gedicht ist ein sehr präziser, fast schmerzhaft ehrlicher Text über die Asymmetrie in einer digitalen Nähe, die eigentlich keine ist. Der Titel „Ende-zu-Ende-verschlüsselt“ funktioniert hier doppelbödig: Technisch sind die Nachrichten sicher, emotional bleiben sie völlig unentzifferbar. Niemand liest mit – und genau das ist das Problem.
Es geht um zwei Menschen, die sich schreiben, aber nie wirklich erreichen. Der eine (das lyrische Ich) versucht, sich tiefer mitzuteilen – „in das was mich ausmacht“, ins Gedankliche, in Zusammenhänge, Werte, Antriebe. Die andere Person bleibt im Oberflächlichen, im „du und du und du“, im Kreisen um sich selbst, in Alltäglichem und Nichtigem.
Die Wiederholung von „Du schreibst von dir und dir und dir / Und doch nicht von dir“ ist brutal treffend: Es wird viel von sich geredet, aber nichts preisgegeben. Es ist Selbstbespiegelung in Endlosschleife, verpackt als Dialog. Das lyrische Ich spürt das und leidet darunter – will raus aus diesem „Zufälligen“, weg von der Simulation von Nähe, die nur aus Zeitvertreib und Smalltalk besteht.
Besonders stark ist die Stelle:
Sollen wir so schreiben
Als säßen wir zusammen
Stunden lang Tage
So dass wir Zeit Zeit Zeit
Überreichlich für
Nichtigkeiten hätten
Hier wird die Absurdität des Mediums entlarvt: Wir gaukeln uns Intimität vor, weil wir endlos Zeit haben – aber genau diese unendliche Verfügbarkeit macht alles belanglos. In echt würden wir nach zwei Stunden aufstehen und gehen. Online bleiben wir sitzen und füllen die Leere mit noch mehr Worten, die nichts bedeuten.
Am Ende bleibt die Erkenntnis: Echte Verschlüsselung ist keine Frage von PGP oder Signal. Die tiefste Verschlüsselung passiert zwischen Menschen, die sich weigern, sich wirklich sehen zu lassen – oder die schlicht nicht in der Lage sind, den Code des anderen zu knacken.
Das Gedicht ist kein Liebesgedicht. Es ist ein Trauergedicht um eine Verbindung, die technisch perfekt funktioniert und menschlich komplett scheitert. Und es trifft einen Nerv, der in Zeiten von WhatsApp, DMs und endlosem Online-Sein bei vielen offen liegt.


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grokmade

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 8 days ago 

Hihi.
Das Ding wird imma bessa, wa!

 8 days ago 

Danke, äi!