Ich möcht' so gern mal wieder tanzen

Nach sechs Wochen waren drei Wochen um

Wir hatten uns im Oktober 2020 für eine komplette Badsanierung - durchgeführt vom professionellen Sanitärfachbetrieb unseres Vertrauens - entschieden. Für November war der Beginn der Arbeiten geplant, doch dann sollte es so kommen, dass auch die Klempner nur noch im Notfall fremde Haushalte besuchen durften. Es folgten einige Telefonate, in denen uns Startbereitschaft signalisiert wurde, extreme weltweite Lieferschwierigkeiten jedoch noch die Materialbeschaffung erschwerten. Selbst schuld, was bestellt man sich auch in Italien gefertigte Badezimmermöbel?

Eigentlich handelte es sich gar nicht um eine Badsanierung, denn wir hatten im Erdgeschoss gar kein Badezimmer. Wir wollten aus dem Gäste-WC und einem kleinen Badebadezimmer (schon richtig, darin gab's tatsächlich nur eine Badewanne - kein Waschbecken, kein Klo, nix) einen einzigen Raum neu gestalten. Inklusive aller groben Vorarbeiten wie Wanddurchbruch, Estrichentfernung und -schüttung, Fußbodenheizung, neue Anschlüsse, Tür zumauern etc., empfand ich die angestrebten drei Wochen bis zur Fertigstellung durchaus als hehres Ziel...
Mitte Februar ging es endlich los! Die Handwerker gaben alles. Hm. Quarantäne, geschlossener Baumarkt, Heizungsausfall bei treuen Kunden...

Ich will die erhöhten Stromkosten allein für das gehäufte Anschmeißen des Staubsaugers gar nicht wissen - Staub und Dreck in jeder Ritze! Das weiß man natürlich, wenn man sich auf eine (Roh)Baustelle im Haus einlässt. Nervt trotzdem, oder?
Als gute Handwerkertochter stand ich stets mit der Kamera parat und fotografierte die neuen Anschlüsse. Man kann ja nie wissen, ob man an diese in 50 Jahren nochmal ran muss. Als noch bessere Handwerkertochter, sorgte ich durchgängig für viele, viele Liter Kaffee und das ein oder andere Kekschen. Sechs Wochen lang...

Aber es hat sich gelohnt - nach sechs Wochen konnte ich mein erstes Vollbad in der neuen Wanne mit italienischem Ambiente genießen! Es war auch okay für mich, dass ich danach noch mindestens eine Woche lang täglich feinsten Staub von den neuen Fliesen wischen durfte...

Noch lange nicht fertig

Es ist natürlich kaum zu glauben, aber - wer hätte das gedacht - so ein Umbau zieht einen Rattenschwanz nach sich. Nachdem ich lange genug auf die frisch verputze, ehemalige Tür in der Küche gestarrt hatte und noch immer nicht jeder einzelne Teller vom Staub befreit war, begann ich eines Samstags, Tapeten abzureißen. Ich habe ganz alleine vor mich hin gearbeitet, während mein Mann sich um einen anderen, ebenfalls in Mitleidenschaft gezogenen Raum kümmerte. Dabei hörte ich Radio. NDR1 - Welle Nord. Dieser Sender ist mir von Kindesbeinen an bekannt, er war der Favorit meiner Eltern. Das war echt ein übler Kanal für alte Leute, die spielten nur Oldies. Elvis, Beatles, Fats Domino und jede Menge Deutsche Schlager. Mittlerweile hat die Welle Nord sich gemausert - es wird nur noch meine Musik gespielt... xD

Just an diesem Samstag spielte Welle Nord ein pausenloses (na ja, Nachrichten gab's zwischendurch) Programm namens 'Music of your Life'. Nur 80er - voll mein jugendliches Leben! Ich hörte mich bei fast jedem Lied laut mitsingen (unglaublich, wie textfest man nach über 30 Jahren ist - da sieht man mal, was ein junges Hirn so aufnimmt, wie viel den Jugendlichen, die ihr Leben jetzt nicht leben dürfen, genommen wird). Mit jedem einzelnen Song waren Erinnerungen in den Tiefen des Gedächtnisses verknüpft, die mich lächelnd den Spachtel über den bald schon blanken Putz kratzen ließen.

• Thompson Twins - Hold Me Now (1983) - meine allererste selbst vom Taschengeld gekaufte Langspielplatte
• Opus - Live Is Life (1985) - Klassenfahrt nach Berlin (der arme Busfahrer)
• Foreigner - I Want To Know What Love Is (1985) - erster Engtanz mit Kribbeln im Bauch
• Europe - The Final Countdown (1986) - endlich in der Handball-Bezirksliga
  ...

Zudem sinnierte ich viel darüber, dass man noch vor ein paar Monaten derartige Renovierungsaktionen mit einigen Freunden veranstaltete, anschließend gemeinsam ein Bierchen zu sich nahm und oft am Ende die ausgeräumte Pommes-Bude zur Disco werden ließ...

Als das letzte Fitzelchen Tapete die nackten Wände verlassen hatte, der Boden gereinigt und die professionelle Auftragsendabnahme in vollem Gange war, klingelte es an der Haustür. Ein Freund schaute spontan vorbei. Normal gibt's in solchen Fällen einen Spruch à la "Ja, ja, wenn die Arbeit getan ist, erscheinen die Helfer...", diesmal hieß es: "Huch, was stehst du denn mit Maske vor der Tür?" - "Na ja, wir haben uns so lange nicht gesehen. Ich weiß ja nicht einmal, wie ihr zu dem Drama steht." So viel zur allgemeinen Verunsicherung, zu misstrauischen Befürchtungen.

Selbstverständlich erhielt unser Freund auch ohne Arbeitseinsatz ein Bier aus dem seit langem im Keller einstaubenden Kasten. Oder zwei, oder drei? Wir hatten uns eine Menge zu erzählen, lachten viel und horchten zwischendurch immer wieder auf, um eine Schote zur weiterhin dudelnden Musik preiszugeben.
Der Abend endete mit einem Ereignis, durch das ich den vorgestern bereits zum zweiten Mal in Folge ausgefallenen Tanz in den Mai locker verkraften kann... ;-)

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Bilder: @chriddi, Collagen mit Hilfe von Canva erstellt

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02.05.2021

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