Jakobsweg - Die Pilgerung am camino del norte bis oviedo
Um 8 Uhr morgens nach fast durchmachter Nacht startete ich den camino del norte.
Viel bekannter ist der camino frances, ich wollte unbedingt diese nordspanischen Städte durchqueren, also stand fest, dass die Route über Bilbao, Santander, Oviedo, Lugo mich ans Ziel bringen soll.
Es klingt sehr vermessen, aber so einen Hauch hatte auch bestimmt Columbus verspürt, im Wissen Ausrüstung, Proviant und Navigation mit sich zu führen, eigentlich was ja gar nicht dem Pilgerwesen dient, aber doch auch.
Jedenfalls hatte ich meine Komfortzone verlassen. Es war mir bereits bekannt manchmal an ungewöhnlichen Orten zu nächtigen durch die Anreise.
Wo man sonst ein Zimmer buchte, war alles geschlossen, Tourismus verboten. Kein Restaurant war geöffnet. Braucht man das?
Für viele ist es unvorstellbar eine Reise zu machen ohne vorher alles zu buchen, alles ist auf die Zeit abgestimmt.
Wenn man sich in Pilgerforen, Bücher, Apps und Facebook-Gruppen eingelesen hatte, dann war es eigentlich das, warum ich den Weg nicht vorher ging, touristisch verwertet, mit teilweise mehreren 100 pro Tag die am Weg sind, so wollte ich nicht pilgern, auch nicht bereits halben Nachmittag in der Herberge sein zu müssen, um einen Schlafplatz zu haben.
Es waren die Voraussetzungen, die auf mich da massgeschneidert waren. Wie sich auf den folgenden Tagen und Wochen herausstelle, war ich allein am Weg. Den ersten Tag wollte ich irgendwo eine Herberge finden um auch dann zu schlafen, ich war müde, aber fit.
Nach vielen Recherchen am Weg im Internet fand ich eine private geöffnete Herberge und ich ging und ging, der Weg erinnerte etwas an Österreichs Voralpen, auch die Häuser.
Man überquert Steigungen, Hügel, Berge, dazwischen trifft man immer wieder Strände, an manchen Stellen geht man 400 bis 700 Meter über dem Meer
Der Blick zurück zeigt die überquerte Strecke, man gewöhnt sich an das auf und ab, mit jeder Steigung geht es dann auch bergab. Der Körper findet seinen Rhythmus, man baut Muskeln auf wo man sie braucht.
Schöner als forrest gump könnte man hier nicht zitieren , ich bin dann einfach gelaufen, wenn ich Hunger hatte ass ich, wenn ich durstig war trank ich, wenn ich müde war schlief ich.
Es regnete regelmäßig, nicht besonders stark,manchmal brach die Sonne kurz durch.
Es gibt viele Weg- und Routenbeschreibungen, sehr hilfreich ist auch die camino app.
Nach der Anreise und den ersten Tagen Pilgerweg so ganz alleine, merkt man, es passiert was ... in Bilbao angekommen musste ich meine Ausrüstung und Kleidung trocknen, ich hatte nichts Trockenes mehr. In der Herberge war ich allein, niemand da ausser mir, ich bekam einen elektronischen Türcode und ich entscheide mich erst mit trockener Ausrüstung wieder weiterzugehen.
Es war kurz, als ob ich als Ausserirdischer auf einem anderen Planeten gelandet bin, beim einkaufen im Supermarkt wusste ich wieder, dass ich Mensch war.
Mit einem Blick über die Stadt steigt man auf die Anhöhe um sie dann hinter sich zu lassen. Ich wunderte mich, dass ich eigentlich in der Folge beim Gehen einen Rhythmus entwickelte, der mich immer im Moment hielt, die Augen am weg, manchmal ein Blick nach vor, ein Blick zurück, man nimnt die weitere Umgebung nicht mehr so stark wahr, man geht wie eine Maschine, da ich das jetzt in der Dritten Person von mir darstelle, es hat sich genau umgekehrt angefühlt.
Ich war bei mir eingekehrt, ich fühlte meinen Körper sehr stark, alles funktioniert, ich verspürte eine Leichtigkeit, es machte Spass, das Wetter nahm ich begleitend wahr.
Ich ging über Berge, Küstenstrassen, kleine Orte, kleine Städte in dem Abschnitt Richtung Santander lief ich einfach, so als ob man täglich ins Büro geht, hatte ich meine Routine entwickelt, teilweise verließ ich den Pilgerweg und umging Zentren, ich versuchte dann Supermärkte für Proviant in die Route zu nehmen, manchmal kürzte ich dadurch ab, dann war es wieder etwas länger, man geht kaum am Meer, es wurde trockener.
Ich entschied mich die Variante südlich um Santander zu nehmen, ursprünglich hatte ich geplant mir die Stadt anzusehen, aber ich war so in meiner Marschroutine, dass ich plötzlich keine Lust auf Stadt und sightseeing hatte.
Auf dem Weg nach Gijon merkte ich, wie gut ich bei mir Einkehr gefunden hatte. So schmerzfrei hatte ich mich lange nicht bewegt, ich fühlte, dass ich einerseits abgenommen hatte, andererseits Muskeln aufbaute, mein Rucksack war Teil von mir geworden.
So erreichte ich Gijon, ungeplant, auf dieser Strecke hatte ich schlechtes Netz, also man folgt eigentlich der Autobahn, die immer irgendwie hörbar in der Umgebung war, irgendwie hatte ich dann die Abzweigung nach Oviedo verpasst. Ich wollte ja auf den camino primitivo wechseln und das Landesinnere erkunden.
Als ich bemerkte, wie weit ich bereits war, wollte ich nicht umkehren, es widerstrebte mir zurück zu gehen, also ... ich setzte die Route am camino del norte fort und stieg dann in Gijon in den Bus nach Oviedo.
Nicht geschummelt, nicht abgekürzt, aber der Weg hätte mich auf einer stark befahrenen Landstraße entlang geführt. In der Zwischenzeit hatte sich auch meine Nase verfeinert durch die Natur und Meeresluft, ich roch plötzlich wieder den Strassenverkehr, ich mochte den Gestank der Strasse nicht!
Am späten Nachmittag kam ich in Oviedo an, das gebuchte Hotel war geschlossen, nebenbei war ein anderes und ich checkte ein.
Im Baskenland war im Freien Maskenpflicht. Die Spanier sassen (fast) wie gewohnt auf den Strassen.
Ich war in Oviedo, Ende des camino del norte, für mich, ab jetzt folge ich hier dem camino primitivo, dem ursprünglichsten und schwierigsten Weg durchs Land Asturien.
In der Fortsetzung gibt's den
Dieser Post in Daten: etwa 620 km gelaufen, pro Tag minimal 30, maximal 52. 1762 Liter Regen auf mir gelandet. Eine angehende Blase am Ballen rechts. Keine anderen Pilger angetroffen. Den größten Teil im Zelt geschlafen.
Tolle Landschaft, ursprünglich, viel Natur, gut beschildert.
Ich war während der Pandemie auf dem Camino Frances and Camino Portuguese. Auf dem Camino Portuguese war ich absolut alleine. Auf dem Frances gab es ein paar andere Pilger.
Ich würde sagen, die Pandemie hat alles verändert - den Weg, die Einheimischen, sogar die Pilger. Aber trotzdem war das, wie immer, ein tolles Erlebnis. Das Einzige was ich mich frage ist: wird der Weg jemals derselbe sein wie zuvor.
Vielleicht nicht, denn die Welt wird nie mehr dieselbe sein...
Das klingt prima. Vor allem das "keinen anderen Pilger getroffen"... Das hat mich nämlich bislang von so prominenten Strecken abgehalten.
ich fühle grade alles was ich erlebte-
danke für deinen tollen post
Besten Dank für diesen Bericht :-)) Ich bin zwar "evangelisch" und kenne die Traditionen der Pilgerwege nicht , aber nichtsdestotrotz , Gratulation für diese Leistung :-)) Follow ist raus :-)) @unsuwe