⚽ WM-Finale 1990

in Deutsch Unplugged3 months ago

Drei Chaoten auf Europa-Tour

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Teil 2: Der Ticketkauf in dunklen Gassen

Der erste Teil ist nun schon drei Jahre her und durch den Beitrag zum Tod des Kaisers dachte ich mir ganz unbeeinflußt man könnnte ja eventuell das erlebte Ereignis auf digitalem Papier vervollständigen.

Das Musketier Versprechen

So, wie wir vor dem Halbfinale angekündigt haben beim Gewinn gegen England nach Rom zu fahren, hatten wir uns natürlich auch auf der Fahrt in die italienische Hauptstadt eine klipp & klare Regel auferlegt. Alle für Einen und Einer für Alle. Entweder wir kommen alle ins Stadion oder keiner.

In der ganzen Stadt war schon die Hölle los. Schwarz-Weiße Fangruppen an jeder Ecke und ganz Rom war mit Schwarz-Rot-Goldenen Fahnen geflutet. Der Fan-Support wurde natürlich durch die Italiener massiv unterstützt, denn schliesslich wurden sie von der Truppe rund um Diego Maradona im Halbfinale aus dem Wettbewerb gekegelt. Die Argentinier wollte dort niemand gewinnen sehen.

2 Karten gehen, bei 3 wird es blöd

Nach dem Pflichtbesuch und dem Münzwurf in den Tevi-Brunnen starteten wir das Projekt Ticket-Erwerb. War natürlich nicht so einfach, denn schon damals wurde durch massive Kontrollen versucht den Schwarzmarkt zu unterbinden. Zum Glück schauten die Carabinieri zumindest in den kleinen Gassen nicht ganz so genau hin. Die wussten eben auch, dass dort genügend Italiener im Besitz von teuren Final-Tickets waren, die sie auf Grund des Ausscheidens der Gli Azzurri lieber verkaufen wollten und sich das Finale ohne italienische Beteiligung dann am Bildschirm anschauen.

Wir hatten uns aufgeteilt und vereinbart uns alle 1/2 Stunde wieder an einem vorher ausgemachten Punkt wieder zu treffen. Ging ja nicht anders in Zeiten ohne Mobiltelefon, Navi oder sonstigem neumodischen Firlefanz. Unsere Budget Grenze lag bei 300.000 Lire pro Karte, was ungefähr 300 D-Mark entsprach. Das war damals eine richtige Menge Geld und war fast ein Monatslohn, wenn man noch in der Ausbildung war.

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Nach zwei erfolglosen und sehr ernüchternden Runden durch die schmalen Gassen von Rom hielten wir einen kurzen Kriegsrat ab. Unter 400.000 Lire war nichts zu machen und drei Karten zu erwerben war auch noch so ein Pferdefuß. Wir stießen häufig auf ein Pärchen, bzw. auf Leute die eben zwei Karten hatten. Es hat also immer eine gefehlt und die daraus resultierende Problematik eine dritte Karte zu bekommen schien unlösbar, weil ja jeder Verkaufswillige diese zwei Platzkarten gerne zusammen verkaufen und nicht auseinander reissen wollte.

Das Zeitfenster wird enger

Es waren noch rund vier Stunden bis zum Anpfiff und wir beschlossen uns in Sichtweite an jeweils verschiedenen Ecken zu den kleinen Sträßchen zu positionieren und das Treiben zu beobachten, wo eventuell "verdeckte Verhandlungen" geführt wurden. Wir hatten ausgemacht dann eben noch etwas zu warten, in der Hoffnung, dass, je näher der Anpfiff des Finales rückt, die Preise dann fallen würden.

Söhni hatte eine 5-er Gruppe erspäht, die wild gestikulierend um einen Italiener standen. Ich hatte ein Paar an der anderen Ecke im Auge, die ganz offensichtlich auch mit einem Kartenverkäufer verhandelten. Via Handzeichen verständigten wir uns quer über den Plazza die jeweilige Lage zu checken. Schwiez, den Dritten im Bunde, hatten wir aus den Augen verloren, aber wir hatten ja unsere vereinbarten Treffpunkte. Also alles im grünen Bereich.

15 Minuten später trafen wir uns wieder. Schwiez hatte einen Kartenverkäufer mit zwei Tickets im Schlepptau. Söhni schlug mit der Info an unserem Treffpunkt auf, dass die 5er Gruppe das gleiche Problem hatte wie wir. Eine ungerade Zahl. Ich hatte mit dem anderen Ticketdealer, der sich mit dem Pärchen nicht einig wurde, ausgemacht mich eine halbe Stunde später an einem Eckcafe zu treffen, wenn er die Karten noch hat.

Langsam wurde die Zeit knapp. Wir schauten uns auf dem Stadionplan die Plätze an, die der Kartenverkäufer, den Schwiez angeschleppt hat, im Angebot hatte. Zuerst wollte er 750.000 Lire für die beiden Karten, aber nach zähen Verhandlungen waren wir bei 650 Tsd angelangt. Unter Zeitdruck beschlossen wir uns getrennt auf den Weg zu machen. Schwiez hatte die Aufgabe, den Verkäufer an unserem Treffpunkt "festzunageln", bis wir wieder zurück kommen. Ich lief im Dauerlauf zu dem Strassencafe und Söhni suchte die Fünferfangruppe.

Noch eine Stunde bis zum Anpfiff

Ich konnte meinen "Kontaktmann" auf Anhieb finden und ihn mit Händen und Füssen dazu überreden mir zu unserem Treffpunkt zu folgen. Fast zeitgleich kam Söhni um die Ecke mit der Info, dass die Fangruppe wohl vier Karten ergattern konnte und jetzt verzweifelt noch eine letztes Ticket suchen. "Was haben die gezahlt?" fragte ich ihn. "425.000 pro Ticket" war die Antwort.

3 Dumme, ein Gedanke

Fast zeitgleich kam uns der selbe Gedanke. Ohne große Worte zu verlieren warf Söhni seine Kohle auf den Sammelhaufen und sauste davon, um die andere Gruppe zu suchen. Wir zwei Verbliebenen feilschten getrennt währendessen weiter mit den beiden Kartenanbietern. 650 Tsd + 675 Tsd für die beiden anderen Karten. Insgesamt hatten wir aber nur 1.300.000 Lire. Darauf liessen sich die Verkäufer ein, aber Söhni war noch nicht zurück. Also was tun?

Schliesslich müssen wir ja auch irgendwie zurück und wenn wir die vierte Karte nicht los werden, dann haben wir ein riesen Problem. Mit den Worten "No risk, no fun! Wird schon klappen!" knallte Schwiez die komplette Kohle in den Hut und wir kauften die vier Tickets.

Die Zugfahrkarte zurück nach Kufstein hatten wir ja. Gerade als ich "Du schiebst die Karre notfalls alleine von Kufstein nach Hause. Sollte klar sein. Falls wir nicht unterwegs verdurstet sind!" in den Raum warf, kam Söhni und die Fangruppe zurück. "Habt ihr die Karten?!" rief er uns schon aus 20 Metern Entfernung zu, weil er die Verkäufer nicht mehr sah. "Was denkst du denn? Na sicher!" riefen wir ihm entgegen und die gesamte Gruppe flippte komplett aus vor Freude.

Bevor ich etwas sagen konnte hängte Schwiez noch hinten dran: "450Tsd! Ein Schnäppchen, wenn man überlegt, dass das Spiel gleich anfängt!"

"GEKAUFT!!!" schallte es aus der Gruppe zurück. Wir umarmten uns erst einmal alle freudig und jubelnd. Uns blieb sogar noch die Zeit zwei unserer Tickets gegen eine aus der Gruppe zu tauschen, die zwar nicht direkt in der Nähe oder der gleichen Sitzreihe war, aber immerhin im gleichen Block. Plus die 450.000 Lire, die wir für unsere überzählige Karte bei dem Tausch bekommen haben. Summa summarum hatten wir dann 850.000 Lire für unsere drei Karten berappt und wir lagen mit den umgerechnet 850 D-Mark für die drei Karten noch 50 Märker unter unserer Maximalgrenze. Damit wäre dann auch die Preisfrage geklärt.

Wie bereits erwähnt für damalige Verhältnisse echt sehr viel Geld. Aus heutiger Sicht für das Erlebte unbezahlbar.

Dann ab ins Stadion! Das Glück ist mit den Mutigen. Jetzt steht nur noch der Titelgewinn aus.

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Der Abschluss Artikel folgt dann, wie gewohnt, in Kürze.
VÖ Planung März 2027.

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 3 months ago 

Wat 'ne schöne Prinzenstory. Wie in alten Zeiten... Achso, war'ns ja auch... 🤪
Cooler Thriller! Ich euch und die geheimen Handzeichen bildlich vor mir.
Und nun kauf dir endlich mal eine Tastatur - solch erfrischende Lektüre kannst du dann jede Woche einstellen... 😉

Schlemihl verkauft WM-Tickets an "harmlose Touristen"...
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 3 months ago (edited)

Und nun kauf dir endlich mal eine Tastatur

Die schafft es in der Prioritätenliste einfach nicht nach vorne. Kommt immer was dazwischen. Diesmal ein abgebrochener Zahn. kotz

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Schlemihl verkauft WM-Tickets an "harmlose Touristen"...

Psssssst!!! Für die Agentenmäntelchen war es defInitiv zu warm, aber solche Hüte waren häufiger dabei. 😂

 3 months ago 

Diesmal ein abgebrochener Zahn.

Sch...! Viel Glück!

 3 months ago 

Autschnnn!
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Einfach herrlich! Ich freue mich umso mehr das ich dir mit meinem Beitrag den Gedankenstoß für diese überragende Geschichte der drei Chaoten gegeben habe.
Das ist sicherlich eine dieser Geschichte die eure Freundschaften geprägt hat.
Ist ja schon fast Filmreif!
Das Glück ist mit den mutigen, ich freue mich auf die Fortsetzung.

 3 months ago (edited)

Das ist sicherlich eine dieser Geschichte die eure Freundschaften geprägt hat.

Davon hatten wir einige, aber das wird einer der unvergesslichsten Momente in unseren Leben bleiben.
Anschlusshighlight war natürlich dann der Einlauf in unserer damaligen Stammkneipe. Beim Start für völlig verrückt erklärt und bei der Rückkehr gefeiert worden, als hätten wir das Finale höchstpersönlich gewonnen. :D

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 3 months ago 

I missed parts 1 and 2... Italia '90 - the most nostalgic of all world cups. So close... but you pesky Germans and your impeccable penalties!

 3 months ago (edited)

but you pesky Germans and your impeccable penalties!

Germany has not lost a penalty shoot-out in a major international competition for 50 years. OK, not since 2016, because we haven't reached the knockout round since this year and were "allowed to go home" after the group stage. 😂

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 3 months ago 

It's been nice that you haven't ruined it for us for a little while now 😉

 3 months ago (edited)

This is because playing soccer is no longer the priority of "Die Mannschaft". The important thing is to lecture the whole world with their rainbow ideology. I bet Germany will also have the first national team to identify themselves as dogs or nonbinary coffee pots. :)

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 3 months ago 

Germany will also have the first national team to identify themselves as dogs or nonbinary coffee pots. :)

🤣 I’ve seen a few players who are as useful as chocolate coffee pots in recent years!

 3 months ago (edited)

Das war ja schon Spannung pur vor dem Finale, schaffen wir es oder oder schauen wir in die Röhre, im wahrsten Sinne des Wortes. Um so erfreulicher, daß ihr erfolgreich wart. Bei dem Siegestor, Elfmeter in die rechte Torwartecke, geschossen von Andy Brehme, hab ich ganz schön mit gefiebert und gejubelt, fast so wie bei Helmut Rahns 3:2 gegen die Ungarn.

 3 months ago (edited)

schaffen wir es oder oder schauen wir in die Röhre

Das trifft es auf den Punkt. Den entscheidenden Elfer haben wir erst später in einer Aufzeichnung gesehen, weil es live vor lauter hüpfenden Menschenmassen und Fahnengewedel kaum zu sehen war, aber der frenetische Jubel nach dem Treffer und das gemeinsame anfeuern, zittern und bangen bis zum Schlusspfiff hat das locker ausgeglichen. :)

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Hallo @peppermint24,
vielen Dank, dass du unseren automatischen Auszahlungsbot DUBby nutzt, um deine Kommentatoren anteilig an deinen Post-Rewards zu beteiligen.
Damit alles wie geplant läuft, denke bitte unbedingt daran, mir Auszahlungsbefehle zu erteilen.
Schreibe dafür einfach einen Kommentar an die User, die einen Anteil erhalten sollen. Darin sollte die Anweisung in der Form !finanzbot x % enthalten sein.

Falls du dazu Hilfe benötigst, kannst du gern fragen oder in diese Anleitung schauen.

Gruß vom DU-Finanzbot (by Witness @moecki).

 3 months ago 

So, nun habe ich also auch den ersten Teil zusammen mit dem zweiten lesen können. :-)
Ich kann mich chriddi nur anschließen: Sehr erfrischend und unterhaltsam. Ich kann mir direkt vorstellen, wie ihr durch die Gassen hechelt, um die richtigen Leute ausfindig zu machen. Das Beobachten war natürlich total clever.
Die Preise finde ich schon heftig. Allerdings weiß ich nicht, was heutige Finaltickets so kosten. Aber, wie du schon schriebst, angesichts der Erlebnisse, die auch 30 Jahre danach noch erzählenswert sind, kann man das wohl als angemessen bezeichnen :-)

Hab mir schon mal den Termin 03/2027 eingetragen ;-D
Gut dass die Blockchain nicht vergisst...

 3 months ago 

Die offiziellen Preise für z.B. das Finale 2014 lagen, je nach Kategorie, schon bei 300 bis 1000 Dollar. Die Spiele nach der Gruppenphase, also die K.O. Runden, waren sowieso schon lange vor Beginn der WM ausverkauft. Das läuft ja im Losverfahren. Da muss man schon Glück haben, überhaupt offiziell an Karten zu kommen.

Ein Bekannter von mir lebt seit über 10 Jahren in BRA. Der hat es versucht. Nix zu machen. Schwarzmarktpreise fürs Finale unter 2500 Dollar nichts zu holen. Je nach Plätzen ging das bis in den 5-stelligen Bereich. Komplett gaga. So gesehen waren 300 Mark noch erschwinglich. Wobei diese 300 Mark gefühlt mehr Kaufkraft hatten, als heute 1000 Euronen. :)

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