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RE: Gedicht: Beweislastumkehr.

in Deutsch Unplugged2 years ago

Willkommen unter den Dichtern ;-))

Zum eigentlichen Thema: Der Gesetzesentwurf, der ja auch 2017 so bestätigt wurde, dreht sich um Strafverfahren, in deren Kontext Vermögen unklarer Herkunft des Täters eingezogen werden kann, auch wenn ein Zusammenhang mit dem zugrunde gelegten Vergehen oder Verbrechen nicht nachgewiesen werden kann. Im Prinzip war der Sinn eine einfachere Entschädigung von Opfern, die bislang auf zivilrechtliche Verfahren mit zweifelhafter Erfolgsaussicht angewiesen waren.

Gibt es denn nachgewiesene Fälle, in denen der Paragraph "kreativ" ausgelegt wurde und unabhängig von einem Strafverfahren Vermögen eingezogen wurden?

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 2 years ago 

Im Prinzip war der Sinn eine einfachere Entschädigung von Opfern, die bislang auf zivilrechtliche Verfahren mit zweifelhafter Erfolgsaussicht angewiesen waren.

Dieser (Entschädigungs-)Effekt wird im von mir verlinkten Interview bezweifelt.

Allerdings ist mir der dafür zu zahlende Preis ohnehin zu hoch. In meinen Augen hat Schuld nachgewiesen zu sein und der Ankläger die Beweise für die Schuld eines Angeklagten zu erbringen und nicht umgekehrt der Angeklagte die Beweise für seine Unschuld (beispielweise die Herkunft seines Geldes). Besteht ein begründeter Tatverdacht auf - sagen wir - Geldwäsche, erwarte ich saubere Ermittlungsarbeit, wie das früher eben so üblich war. Stattdessen wälzt der Staat seine Arbeit auf den Privatmann ab, der heute ins Schwitzen gerät, wenn er nicht akribisch, Jahre zurückreichend Buch geführt hat.

Gibt es denn nachgewiesene Fälle, in denen der Paragraph "kreativ" ausgelegt wurde und unabhängig von einem Strafverfahren Vermögen eingezogen wurden?

Ich sehe leider gar keinen Bedarf für eine kreative Auslegung, um Menschen, wie z. B. mir selbst große Probleme zu bereiten. Ich bin an sich kein Dichter, aus mir bricht sowas eher immer dann heraus, wenn mir ein Thema aufgrund intensiven Grübelns den Schlaf raubt.

Es ist Tatsache, dass Banken mittlerweile ganz schnell Konten sperren, wenn sie auch nur den leisesten Verdacht hegen, einmalige größere Einzahlungen (oder mehrere gestückelte kleinere) könnten möglicherweise mit Geldwäsche oder Terrorfinanzierung in Zusammenhang stehen. Um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, den immer strengeren Regeln nicht zu genügen, wird dann prophylaktisch rasch gehandelt.

Oft entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, wenn ein Betroffener, ausgerechnet um brav Steuern zahlen zu können, größere Kryptobeträge erst in Euro umtauscht und diese dann auszahlt, nur damit seine Bank das dann mit der Schließung seines Kontos quittiert ...

Ich selbst suche nach einer Bank, die kryptofreundlich genug ist, größere, regelmäßige Auszahlungen zu verkraften. Ich habe derzeit einen Antrag auf Konteneröffnung bei Bitcoin Suisse laufen (Mindesteinlage 100000 CHF). Infolge der im Gedicht angesprochenen Nachweispflicht, musste ich ein Formular ausfüllen, in dem ich ausführlich darlegen muss, woher mein Geld stammt (mehrere Optionen stehen zum Ankreuzen zur Verfügung, wie z. B. Real Estate, Erbe, Gehalt etc. ... früher Einstieg in die Kryptowelt oder "Splinterlands-Spielen" gehören nicht dazu, aber das sind eben völlig legale Möglichkeiten, wie heute jemand reich werden kann), wie hoch mein Gesamtvermögen sei, wie viel ich im Jahr verdiene (natürlich nicht - mehr - viel, hab doch Kryptos!), wo ich arbeite, wie lange ich schon dort arbeite, wie viel ich bei der ersten Einzahlung genau einzuzahlen gedenke, in welcher (Krypto-)Währung, von wo aus ich einzuzahlen gedenke, ob ich ein zweites Mal einzuzahlen gedenke, wie viel dann genau, in welcher Währung und von wo aus, ob ich (wie viel genau?) auszuzahlen gedenke usw. usw.
Dabei ist es mein eigenes Geld, und ich plane in der Regel nicht exakt Monate im Voraus, wie viel ich wann ausgeben werde. Aber genau solche Abfrageorgien sind Folge von Gesetzen, die jeden Einzelnen, vor allem wenn er auf eher unkonventionelle Art und Weise zu eher viel Geld gelangt ist, zum potentiell Verdächtigen machen und dass, obwohl tatsächlich nur ein Bruchteil aller Kryptowährungstransaktionen mit Kriminalität im Zusammenhang steht.
Ich habe früher nicht jeden Bitcoin-Kauf dokumentiert, nicht jeden Erwerb der damals noch vergleichsweise günstigen "STEEM-Monster" (wie sie zunächst noch hießen) etc. und fürchte bei jeder Steuererklärung die Frage nach der Herkunft meines Geldes bzw. die Rüge ob meiner nicht gerade akribischen Buchführung.

Mich erinnert dieser Anspruch des Staates, jegliche Geldflüsse exakt überwachen zu können leider sehr an Orwells bekannten Roman. Krimimalität und Terror sind nichts 'Schönes', aber ich wäre tatsächlich eher dazu bereit, ein gewisses Mehr davon hinzunehmen, als die Freiheit und Selbstbestimmtheit des Individuums in vielerlei Bereichen immer weiter einzuschränken (wobei ich mich ohnehin frage, inwieweit die diversen, Freiheit und Privatsphäre der Menschen einschränkenden Maßnahmen die tatsächlich Kriminellen überhaupt tangieren).

 2 years ago 

Danke Dir sehr für die lange Antwort. Gerade bei den letzten Sätzen bin ich voll bei Dir und gehe noch weiter: ggf. ist steigende Kriminalität und Terroraktivität bedingt durch immer repressivere Gesetzgebung und Kontrollmechanismen...

Was die Konteneinrichtung, die Du beschreibst, betrifft: da kann ich natürlich nicht mitreden. Aber mein reguläres Konto bei der Fidorbank bietet optional die Implementierung von Kryptowährungen an... Ich sehe beim Check der AGB keine größeren Hemmnisse.

 2 years ago (edited)

Klar, die Fidor Bank arbeitet ja mit der Börse bitcoin.de zusammen und stellt somit meines Wissens, neben NURI, die einzige sinnvolle Möglichkeit in Deutschland selbst dar.

Das Problem ist tatsächlich letztlich immer, die Herkunft des Geldes zu belegen.

Das kann nicht nur frühe Krypto-Investoren betreffen (wer hätte vor Jahren ahnen können, was heute z. B. ein Bitcoin kostet - warum also alles exakt dokumentieren ... und wieso überhaupt dokumentieren, wo doch eigentlich die Beweislast stets beim Ankläger lag ...?), sondern auch Menschen, die über Jahre hinweg Bargeld angespart haben, ohne das zu dokumentieren ...

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