Wenn zwei Flüsse sich kreuzen 👹🍣🎎 Mein Japan

in #japan12 days ago

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Wenn es in Japan etwas im Überfluss gibt, dann ist das Wasser. Ob Regen oder Schnee, die jährliche Niederschlagsmenge ist deutlich höher als das, was ich aus mitteleuropäischen Breiten gewohnt war, was dafür sorgt, dass es das ganze über recht feucht sein kann. Und aufgrund der Topographie des Landes, mit seinen recht hohen Gebirgen im Landesinneren haben sich im Laufe der Zeit über eintausend Flüsse gebildet, die in die verschiedenen Himmelsrichtungen zum Meer abfließen. Da das Meer meist nicht weit entfernt ist, sind viele Flüsse auch eher kurz und haben ein recht starkes Gefälle. In diesem Zusammenhang wird erzählt, dass der niederländische Flussbauingenieur Johannis de Rijke,1891 beim Anblick des Jōganji Flusses gesagt haben soll: „Das ist kein Fluss, sondern ein Wasserfall!“.

Zusätzlich zu den vielen Flüssen haben sich in einigen Regionen größere Sumpflandschaften und Süßwasserlagunen gebildet, welche im Laufe der Zeit zum Teil trockengelegt wurden, um Anbaufläche für Reis und weiteres Nutzland zu schaffen. Probleme gab es aber immer wieder bei Überflutungen, wie zum Beispiel in Niigata, wo es in Küstennähe kaum noch Gefälle gibt, und das überflüssige Wasser deshalb oft nicht abfließen konnte.

Während der Edo-Zeit wurde schließlich auch in Niigata versucht, einige dieser im Inland gelegenen Lagunen trocken zu legen, wobei bei Plan aufkam, hierzu einen künstlichen Flusslauf zu graben, der die Wassermassen ins Japanische Meer transportieren sollte. Hierbei stellte sich aber das Problem, dass hierzu der Nishigawa-Fluss durchquert werden musste, welcher parallel zur Küste verlief und wichtig für die Wasserversorgung der in der Nähe gelegenen Stadt Niigata war.

Schließlich genehmigte die Shogunatsverwaltung einen Konstruktionsplan, bei dem der Nishigawa in ein hölzernes Korsett gezwungen wurde, welches anschließend untergraben wurde, und wo am Ende das Flussbett des Shingawa langführte. Nach der Öffnung des neuen Flusses im Jahre 1820 trockneten viele der umliegenden Lagunen aus, und es entstanden dort neue Reisfelddörfer.

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Diese Konstruktion wurde im Laufe des Jahre mehrmals verändert und verbessert. Unter anderen wurde die Schleusen im neuen Shingawa entfernt, welche sich wohl direkt unter dem Nishigawa befanden, was das Flussbett des neuen Flusses deutlich verbreiterte. Das derzeitige Nishigawa-Aquädukt wurde im Jahre 1955 fertiggestellt und führt wie bereits vor 200 Jahren das Wasser des Nishigawa über den Flusslauf des Shingawa hinweg.

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Ich bin einige Male die Hauptstraße hier ganz in der Nähe entlang gefahren und hatte mich jedes Mal gewundert, als die diese Konstruktion gesehen hatte. Irgendwann hatte dann meine Neugier gesiegt und ich hatte angehalten, um mich hier etwas genauer umzusehen. Bei vorherigen Besuchen in einigen örtlichen Museen und Ausstellung hatten ich bereits ein wenig gelernt über die Geschichte dieser Region und ihren Kampf mit den Wassermassen und auch wie die Menschen die Flusslandschaften hier veränderten.

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Es war nun interessant, mir das Ergebnis einmal mit eigenen Augen ganz aus der Nähe anzusehen, hier an diesem Ort, wo vor über 200 Jahren mit Menschenhand ein doch gewaltiges Projekt verwirklicht wurde. Zu beiden Seite der Wasserstraßenbrücke führten weitere Brücken über den Shingawa, so dass ich das Ganze von allen Seiten aus betrachten konnte.

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Letztendlich habe ich an meinen Japanischkenntnissen verzweifelt, denn insbesondere das Lesen fällt mir immer noch schwer, so dass ich bei Auskunftstafeln wie hier immer wieder auf verlorenem Posten stehe. Letztendlich hat sich mir der Sinn und Inhalt dann doch erschlossen, und ich bin in der Lage zumindest ansatzweise davon zu berichten.

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Die bisherigen und auch die folgenden Bilder geben einen kleinen Eindruck davon, wie es hier aussieht, dort wo auch heute der Nishigawa den Shingawa überquert, ohne dass sich die Wasser der beiden Flüsse vermischen. Aufgrund der alten Bilder nehme ich an, dass der obere Fluss früher breiter gewesen war und beschifft wurde, wogegen der untere Fluss in den ersten Jahren nach seiner Entstehung deutlich schmaler war und wohl eher aus mehreren Röhren bestand.

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Manche Schilder erklären sich auch ohne große Sprachkenntnisse und sollten besser beachtet werden. Wasser hat keine Balken, dass gilt auch für unsere beiden Flüsse hier.

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Ein wenig aus der Entfernung betrachtet, weist zunächst nicht viel darauf hin, dass wir es dort hinten mit einer Wasserstraßenbrücke zu tun haben, deren Ursprüngen historischen Ursprung haben. Die Edo-Zeit ist lange vorbei, aber einige Errungenschaften dieser Epoche wirken heute noch.

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Der Blick in die andere Richtung zeigt einen ruhig dahinfließenden Shingawa, den neuen Fluss, der von hier aus nur noch ein paar Kilometer bis zum Japanischen Meer braucht, wo es sich dann seiner Wassermassen entledigen kann. An der Flussmündung steht nun ein großes Wehr und gleich daneben ist ein Hafen entstanden, wo die Fischer mit ihren Booten anlegen. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man denken, dass dies alles schon immer so gewesen ist.

Auf der linken Uferseite hatte ich bei meinem Besuch eine Reihe von Kirschbäumen entdeckt, welche an jenem Wintertag noch nichts von der Schönheit zeigten, mit der sie die Menschen hier im Frühling bezaubern. Mal schauen, ob ich es zur Kirschblüte noch einmal hierher schaffen werde, dann hoffentlich mit ein wenig mehr Zeit im Gepäck. Ich würde mich sehr freuen...

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Was es nicht alles gibt. Zwei sich kreuzende Flüsse. Meine erste Frage : "Wie soll das funktionieren?" War mit dem Foto schnell beantwortet. Aber die zweite Frage "Was ist der Sinn dahinter?" Hat sich mir nicht sofort erschlossen. Danke für deinen interessanten und ausführlichen Bericht.

ドイツからの愛を込めて

der neuere Fluss quert den alten, soll aber dessen Fliesrichtung nicht beeinflussen. der neueregeht schnurstracks Richtung Meer und soll nach Regen Wassermassen wegtransportieren. Der alte wurde früher mit Booten befahren, aber das hat sich wohl seit einiger Zeit..

With love from the Far East :)

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