Zitate von Stefan Dehn (*1982)
Stefan Dehn ist ein Philosoph des 21. Jahrhunderts.
edit: Im Jahr 2018 täuschte er über seinen mittlerweile gelöschten Wordpress-Blog Myselfwork seinen eigenen Tod vor, indem er unter dem Namen Jennifer Hader einen Blogeintrag schrieb, in dem behauptet wurde, dass er aus seinem Leben geschieden sei und sich keine Trauerfeier gewünscht habe. Nach Auflösung des Vorfalls einige Monate später in seinem Buch "Gerede" (veröffentlicht am 17. Dezember 2018) ist er in meiner Achtung so stark gesunken, dass er für mich nunmehr tatsächlich als Person "gestorben" ist, auch wenn ich seine philosophischen Leistungen weiter anzuerkennen bereit bin.
Napoleon geht zu Grunde (2010)
Es gibt kein Ziel, es gibt nicht einmal einen Weg, es gibt Nichts. Aber davon reichlich. (S. 8)
Die Konstruktion ermöglicht ein Leben, das sich aus einer Abfolge von Ereignissen und Höhepunkten zusammensetzt, doch es sind gerade die Tiefpunkte, die uns definieren. (S. 8)
Das Leben ist nicht bösartig, es hat keine unterschwelligen Aggressionen, es hat keine Intention, es will uns nichts böses, es will uns nichts Gutes, es will nur eins von uns: Dass wir sterben. Und bevor wir dem Sterben nachgehen, sollen wir im Idealfall neues Leben zurückgelassen haben, damit weiterhin reichlich Todesmaterial vorhanden bleibt, mit dem das Leben arbeiten kann, das es vernichten kann. (S. 8f.)
Dreißig Jahre mehr leben oder weniger leben ist nichts, was einen Unterschied macht, weil nichts einen Unterschied macht, weil Nichts ist. (S. 16)
Der Mensch in seiner Erbärmlichkeit tut alles, um andere als noch erbärmlicher zu zeichnen, um seine eigene Erbärmlichkeit verdecken zu können, doch gerade durch dieses erbärmliche Verhalten tritt die Erbärmlichkeit des Menschen noch deutlicher in Erscheinung. (S. 20)
Wir bilden den Nährboden für das künftige Leben und damit den Nährboden für das künftige Sterben. Von unserem Tod nähren sich die Parasiten wie Pflanzen und Getier. Die Menschen haben sich zeitlebens von Totem ernährt, tote Pflanzen, tote Tiere und fühlten sich lebendig. Bald werden sich andere von unseren Körperresten nähren, ernähren, und damit wird das Leben und Sterben durch uns in der Welt bleiben, wie wir dadurch in der Welt bleiben. (S. 24)
Ständig meine ich etwas tun zu müssen, wo ich doch genauso gut weiß, dass es nichts zu tun gibt. (S. 35)
Das Erkennen ist ein Erschrecken. (S. 57)
Wenn es eine Wahrheit gibt, die als Wahrheit bezeichnet werden kann, auch wenn sie womöglich alles andere als Wahrheit ist, sondern die größte Verblendung von allen darstellt, dann ist es die Subjektivität. (S. 66)
Wenn das Nichts anerkannt wird, dann lösen sich alle wesentlichen Probleme im Nichts auf. (S. 111)
Letzten Endes ist jedes Leben ein Leben auf Vorbehalt, der Tod erhebt sich mit der Geburt und startet den Zerfallsprozess. Er beschleunigt ihn oder er verzögert ihn. Leben ist Abwesenheit des Todes unter Vorbehalt. (S. 168)
Viele Preise werden vom Staat vergeben oder Großspendern, die dann ihre Wohltätigkeit feiern wollen und damit ihre Widerwärtigkeit zur Schau stellen. (S. 180)
Genau genommen ist alles im Leben Verschwendung der Daseinsabläufe, es gibt nichts Sinnvolles zu tun, nur die Illusion, die Zuschreibung von Sinn, erweckt den Eindruck, dass es etwas Gescheites zu tun gibt. (S. 499)
Erst der Mensch, der sein Ich lebt, egal wie es aufgenommen wird, der verfügt überhaupt erst über ein Ich. Die anderen Menschen sind angepasste Modelle, sind Kopien. (S. 550f.)
Napoleon, der Fremdzwang, der zum Selbstzwang umgewandelt wird, bewirkt den ersten Bruch mit dem Ich. Der Mensch vollführt nun ein Dasein, das von außen gesteuert wird, auch wenn es sich anfühlt, als sei es vom Inneren geleitet. Die Einheit muss wiederhergestellt werden, die Fremdzwänge, die Verblendung abgeworfen werden. (S. 555)
Nicht ich habe es mir unmöglich gemacht, mich zu integrieren, die Menschenwelt hat es unmöglich gemacht, dass Integration als eine sogenannte vernünftige Entscheidung angesehen werden kann. (S. 556)
Schreiben ist Entdeckung, von sich selber überrascht werden. (S. 629)
Der Mensch im Augenblick (2012)
In den Naturgesetzen hat sich der Mensch nur selber entdeckt und offengelegt, wie er die Natur sieht. (S. 191)
Ich weiß, in jedem Moment, in dem ich atme, spreche, schreibe, sterbe ich ab. Ich muss jahrzehntelang mit vollem Bewusstsein und offenen Auges meinem eigenen Untergang beiwohnen. Ist das nicht Wahnsinn? Ein erfreuliches Geschenk ist es jedenfalls nicht. (S. 201)
Wenn alles bedeutungslos ist, kein Sinn vorliegt, dann sollte es auch bedeutungslos sein, dass keine Bedeutung vorliegt [siehe dazu Yalom (1980), S. 479]. Die Schlussfolgerung, dass der Mangel an Bedeutung das Leben wertlos zeichnet, ist eine Schlussfolgerung, die innerhalb der Bejahung von Bedeutung vorgenommen wird. Es wird dem Satz, dass alles wertlos ist, eine Bedeutung beigemessen. (S. 268)
Die Gesammelten Werke Hegels sind erst einmal nur die Gesammelten Probleme Hegels. (S. 400)
Einführungskurse in die Philosophie sind schon von der Bezeichnung her unphilosophisch. Es kann nur in etwas eingeführt werden, das vollkommen überblickt wird. Wer kann schon die Philosophie überschauen und demnach in sie einführen? Besser wäre die Bezeichnung Hinwendung, nicht Einführung. (S. 418)
Das Streben nach Glück ist das Streben nach einem Menschenwort, das sich nicht auf die Wirklichkeit bezieht, sondern auf eine Wunschvorstellung. (S. 552)
In einer Welt der Gedankenlosigkeit leidet kein Mensch so viel wie ein denkender Mensch. (S. 304)
Und am Ende muss auch noch der Zweifel angezweifelt werden. Das würde manche zur Verzweiflung bringen. (S. 331)
Testament des Wahnsinns (2013) [Stefanicus Philosophicus]
Der Mensch wäre ohne Sprache verloren und ist in der Sprache verloren. Der Mensch beherrscht die Sprache nicht, sie beherrscht ihn. Ihre Begriffe leiten sein Leben. (S. 20)
Gedankentagebuch Dezember 2013 – November 2014
Wenn es keine Wahrheit gibt, ist das Sprechen von der Wahrheit schon eine Lüge. (S. 6)
Wer seinen Körper ausführlich beobachtet, zum Beispiel auf die Atmungsvorgänge [achtet], wird bemerken, dass dies irgendwann sehr unangenehm werden kann, da realisiert wird, dass weder ein Einfluss auf die Atmung oder den Herzschlag vorliegt, man vollkommen vom Körper abhängig ist, dass er einem die Gnade oder die Last der Existenz gewährt/auferlegt. (S. 41)
Das schlimmste Urteil, was sich über ein Buch fällen lasst, lautet: Das war ja ein schönes Buch! Als wenn es darum geht, ob der Inhalt harmonisch, poetisch, schön ist! Ein viel wichtigeres Buch könnte ein grausames Buch sein, weil es die Ehrlichkeit, das Denken fördert. Wer denkende Bücher schreibt, dem ist es egal, ob Menschen das als angenehmes, schönes Buch betrachten. (S. 68)
Trost ist schon ein beschönigendes Ziel der Philosophie? Es gibt nichts was Trost verspricht? Allerdings tröstet mich auch das Trostlose. Einfach weil es jemand ausspricht und man nun nicht mehr alleine ist. Schopenhauers Ehrlichkeit spendete Trost, in einer Menschenwelt die sich alles schön redet. Er versprach keinen guten Ausgang dieser Existenz; allerdings die Aufrichtigkeit, mit der er im Denken vorging, spendete Trost. Hier tröstete sozusagen der Schatten, nicht das Licht. Der Trost darf also nicht in Lügen enden. Sondern Trost durch Ehrlichkeit. Nicht heilendes Versprechen, sondern schonungslose Ehrlichkeit. Dass man nun weiß, es denkt noch jemand mit. Allein das ist schon eine gehörige Erleichterung. (S. 176)
Der Punkt ist, wer glaubt eine Illusion abgelegt zu haben, sich aus einer befreit zu haben, sogar nun endlich frei von jeder Illusion zu sein, der hat bloß noch nicht erkannt, in welchen Illusionen er augenblicklich feststeckt und welche er sich neu auferlegt hat, zum Beispiel: Die Illusion der Illusionsfreiheit (S. 205)
Der Augenblick verliert an Schärfe, wenn die Bilder ununterbrochen strömen. Das Bild verstellt dann den Blick, da keine Unterbrechung, Störung, für die erneute Scharfstellung sorgt. (S. 220)
Menschen setzten darauf, dass Kinder Sinn geben/spenden, erzeugen sie, und setzen damit nur die Sinnlosigkeit der Existenz fort. (S. 251)
Ich habe Glück, kann es aber in dieser Menschenwelt nicht erhalten, weil sich noch kein Mensch allein durch seine Gedanken in dieser Menschenwelt ernähren, erhalten konnte, das ist mein Unglück. Wer genährt werden will, muss dem Stumpfsinn zuarbeiten. Dazu bin ich nicht mehr in der Lage. Ich bin nicht fern jeden Stumpfsinns, aber in dieser Reinform kann ich ihn nicht mehr produzieren. Ich habe mich in die Philosophie verliebt, genauer: in das Denken, und habe mich so aus der Menschenwelt herausgedacht. (S. 378) [Erstveröffentlichung via Blog 2012]
Was große Denker auszeichnet, sie leben nicht nur für das Denken, sondern das Denken wird zu ihrem Leben. (S. 385) [Erstveröffentlichung via Blog 2012]
Wovon man nicht sprechen kann, darüber kann man nicht schweigen, da gar nicht gewusst wird, worüber geschwiegen wird. (S. 403)
Andere zu ehelichen und dann Kinder in diese Welt zu setzen, muss nicht ein Akt der Liebe sein, es kann pure Grausamkeit sein. Schließlich erwartet diese Kinder der sichere Tod. Die Kinder werden in den sicheren Tod geschickt. Da war es vielleicht ein größeres Zeichen der Liebe mancher, bewusst auf Kinder zu verzichten, um ihnen die Grausamkeiten der Existenz zu ersparen. (S. 424)
Ein ausgeprägtes Selbst zu haben, bedeutet ein ausgeprägtes Denken zu haben. (S. 463)
Das Gerede um die Zukunft der Philosophie, wo sie noch nicht einmal eine Gegenwart hat! (S. 471)
So ist Denken ein sehr einsames Geschäft, auch wenn Geschäft es nicht trifft. Geschäft signalisiert, es besteht die Möglichkeit auf Gewinn. Aber im Leben meldet man bereits mit der Geburt Insolvenz an und verwaltet bis zum finalen Tod nur die Konkursmasse (Zellen). (S. 485)
Der Ernst des Lebens ist ein Witz. (S. 575)
Die Sprache ist eine Art Droge, in der sich wohl gefühlt wird, obwohl sich zunehmend darin verloren wird, der Existenzbezug als Ursprünglichkeit verloren wird. (S. 580)
Wer zu feige ist, für sich zu sprechen, kann noch Professor der Philosophie werden, jedoch kein Philosoph. (S. 581)
Sprache zwingt mich zu unterscheiden, was als Ganzes keine Trennung ist. Sprache zwingt mich am Ganzen vorbeizuschauen. (S. 586)
Fast alle Philosophiebücher sind unwirksam, da sie eine Art Verstehen anbieten, statt die Fremde bestehen zu lassen. (S. 592)
Philosophie versucht man nicht, man vollzieht sie. (S. 601)
Sollte Heuchelei ein Kriterium für soziale Kompetenz sein, dann bin ich lieber inkompetent. (S. 612)
Logik arbeitet mit einem Gedankenstartpunkt, den sie nicht mehr reflektiert. Sie agiert nicht vorannahmefrei. (S. 629)
Das Problem ist wohl weniger sich nicht vom anderen verstanden zu fühlen, sondern Verständlichkeit zu erwarten von einer Welt, in der gar nichts zum verstehen da ist. (S. 646)
Ist nicht jede Wahrnehmung auch eine Wertung? Der Blick, die Unterscheidung, der Begriff? Wohin blicke ich und wohin nicht? (S. 661)
Ich spreche nicht für andere, ich spreche nur für mich, und das, wie ich das beobachte, was ich beobachten kann.
Allerdings lässt sich einwenden, dass das Ganze sich nie als Ganzes beobachten kann. Dazu müsste es eine Position einnehmen können, die außerhalb des Ganzen steht und somit einen Blick auf das Ganze zulässt.
Ein Gott oder ein Seinsanfang der sich aus sich selbst heraus schafft, obwohl er noch gar nicht existent ist, wird wohl kaum jemand in ein Verstehen fügen können.
Existiert Wahrheit, ist sie nicht verborgen und muss daher auch nicht entdeckt werden.
Wahrheit kennt ihre eigene Wahrheit nicht. Es müsste schon über Wahrheit verfügt werden, um nach Wahrheit fragen zu können, um zu wissen, wonach gefragt wird, wenn nach Wahrheit gefragt wird.
Mein Körper atmet in jeder Sekunde und daran bin ich als bewusster Prozess nicht einmal beteiligt. Ich kann es, ohne es verstehen zu müssen.
Bei Kant untersucht das Gehirn das Gehirn. Das kann folglich nicht zu einem konsequenten Aufschluss führen, die Zirkularität kann nicht durchbrochen werden.
Wer vorübergehend lebt, erfährt mit jedem Herzschlag den Impuls jener Fremde als Existenz.
Natürlich lässt sich auch sagen Verantwortung bedeutet eine Antwort haben, ohne Antwort keine Verantwortung.
Nach meiner Auffassung liefert der Mensch nie Erklärungen, sondern isolierte Beschreibungen.
Ich halte das Verstehen für nicht verstanden und vermutlich auch nicht für verstehbar.
Wie der Mensch zu seinem Verstehen gelangt, ist entscheidend, ob sein Verstehen verstanden werden kann.
Ein Gott ist mit sich schon immer konfrontiert, ohne seine Grund-lage, sein Prinzip zu kennen. Was vor dem Gottsein da war, was der Anfang seines Gottseins ist, kann er nicht wissen, denn er war erst als Gott dabei, also nach dem Anfang.
Immer wieder suchen Menschen nach Beweisen, warum sie ein Wahrheitsverstehen haben, seltener suchen sie nach Gründen, warum sie ohne eins auskommen müssen.
Im Alltag benutze ich unzulängliche Begriffe und weiß dabei um deren Unzulänglichkeit. Ich führe zu vielen Begriffen eine Fußnote im Kopf herum. Ich spreche diese Fußnoten selten aus, da ich sonst jedem Gesprächsteilnehmer ausführlich von meinen Gedanken berichten müsste, und so genau möchte das im Alltag dann doch keiner wissen.
Die Bibel hat keinen Wert für das Universum. Sie existiert erst seit knapp 2000 Jahren und wird mit dem letzten Menschen wert-los, selbst wenn sie noch als Druckwerk irgendwo vor sich hin schimmelt.
Mit dem Nicht-Wissen gibt sich keiner ab, das Nicht-Wissen wird nicht für das geschätzt, was es sein kann. Die Möglichkeit in aller Grundsätzlichkeit, in aller Anfänglichkeit mit dem Denken zu beginnen. Stattdessen werden Schein-Lösungen präsentiert, die das Denken in vielerlei Hinsicht abwürgen.
Denken ist nicht unbedingt eine Frage der Klugheit, jedoch der Hartnäckigkeit. Wer sich nicht mit Schein-Antworten abspeisen lässt, kann mit seinem Nicht-Wissen viel mehr anfangen, als jene die mit ihrem Wissen bereits abgeschlossen haben.
Die Lebensnähe vieler Menschen besteht daraus, nah an ihrem Display zu kleben. Sich gedrängt, aber in Nähe, durch die Einkaufsstraßen der Stadt zu quälen. Nah am Puls der Zeit zu sein, in Form von gesellschaftlichen Bestrebungen, erfahrend durch den alltäglichen Austausch mit Arbeitskollegen im Büro. All das zeichnet die Lebensnähe vieler Menschen aus. Um dem Leben nahezukommen, muss sich dem Anfang als Anfang genähert werden oder gegebenenfalls die ganze Ferne sich bewusst gemacht werden. Dann wird das Leben nicht mehr selbstverständlich, Lebensfremde tritt ein. Ein lebensfremder Mensch zu werden ist bei all der heutigen selbstverkündeten wie medienpropagierten Lebensnähe ein sehr schweres Unterfangen. Wer am Puls der Zeit sein möchte, muss den Anfang der sogenannten Zeit erfahren. Die Jetzt-Augenblicke gleichen vielmehr Auswürfen der Zeit, Abfälle der Zeit, in der etwas vereinzelte Zeit für einzelne Lebewesen abfällt, aus der Ganzheit herausfällt, ohne dass ein Gefühl für diese Zeitlichkeit entstehen kann, da der Herzschlag der Zeit, sein Beweggrund, sein Anfangsgrund nicht vernommen wird. Seinen eigenen Pulsschlag zu fühlen ist kein Beleg für Lebensnähe. Der Pulsschlag ist Lebensfremde, er entspringt Fremde, er geht aus Unbestimmtheit hervor. Lebensnähe und Lebensferne, Hinwendung wie Abwendung, Zerstreuung, sind konkurrierende, in Feindschaft getretene Begrifflichkeiten. Kann es überhaupt Ab-lenkung geben, wenn es keine Hin-lenkung zu etwas gibt, alles Fremde ist? Hin-lenkung auf was, Hin-lenkung wohin?
Wenn der Körper nur Körperlichkeit wahrnimmt und dies nicht mit Wirklichkeit gleichgesetzt werden kann, als definitives Abbild der Welt, was nimmt der Körper dann eigentlich wahr? Er nimmt Wirken wahr, sein Körperwirken und wie die Wirkungen des Nicht-Körpers auf ihn einwirken und der Körper dieses Einwirken nur in dem eigenen Körperwirken wiedergeben kann. Dieses Wirken in seinen Zusammenhängen kann vom Menschen nicht aufgeklärt werden. Der Zusammenhang ist eine Verbindung mit allem, während das Ganze nicht nach einer Verbindung suchen muss, da es einen festen, nicht auftrennbaren »Bund« vorweist.
Wer sich entfremdet, wird oft als von dem ihm zugehörigen Weggebrochenen betrachtet, er ist in Entfernung, nicht in Nähe. Wer sich täuscht, kann sich enttäuschen, wer sich an etwas gewöhnt, kann sich entwöhnen. Mit Fremde kann das nicht gelingen, jede Distanzierung bleibt in Fremde verhaftet. Von Fremde kann sich nicht ent-fremdet werden, Fremde nie abgelegt werden. Fremde hat alles in ihrem Bann, da sie alles ist, was da ist. Der Glaube, es mit einem eigenen Willen zu tun zu haben, auch ganz ohne Wissen um den Anfang als Anfang, und damit ohne jede Wahrheit, leitet sich davon ab, da der Mensch in jeder Sekunde sich zu Fremde als Körperlichkeit wie Nicht-Körperlichkeit verhalten muss. Er muss einer Handlung nachgehen; sich nicht zu entscheiden, ist ebenfalls eine Handlung. In Fremde muss eine fremde Handlung vollzogen [werden]. Das lässt die Handlung noch nicht Wille sein, die ihren eigenen Willen kennt, die die Herkunft des Willens angeben kann.
Der Körper will nicht den Tod. Und doch stirbt der Körper ab, ob im Suizid oder im üblichen Ablauf des Zellverlustes. Der Körper und sein Zusteuern auf das dauerhafte Nicht-Funktionieren ist nicht der Wille des Körpers. Es geschieht. Der Körper handelt, solange er handeln kann, dennoch ist das kein Akt des Willens, sondern ein Akt des Vorhandenseins. Wer da ist, muss Handlungen vollziehen. Atmen wird nicht gewollt, es geschieht, Stuhlgang wird nicht gewollt, es geschieht. Jede Handlung ist eine unweigerliche Wertsetzung, ohne dass dieser Wertsetzungszwang den Wert zu etwas wertvollem macht.
In der Wanderschaft des Denkens begegnen einem ausschließlich Gedanken. Dieser Gedankenüberschuss, der ein Sprachübergewicht ist, setzt den Wert der Sprache unweigerlich zu hoch an. Das Denken der Menschen muss auf Wanderschaft sein, wer sich in und als Fremde bewegt, der geht hin und her, ohne zu wissen, worin er geht, denn er kann keine konkrete Verortung aufzeigen, die ein Geradeausgehen ermöglichen würde. Aus der Fremde kann nicht ausgebrochen werden, der Fremdefleck wandert mit jedem Schritt mit. Ohnehin bedeutet dem Denken auf der Spur zu sein bereits neben der Spur zu sein.
Das Ganze lässt sich nicht zusammenfassen, da es nur im Ganzen ganz ist.
Wie wenig die Zeit doch den Menschen nützt. Aristoteles hat vor über 2000 Jahren gelebt, und er war in vielen Dingen so viel klüger als die heutigen Menschen je sein werden. Denken ist eben kein Denkfortschritt, der zum nächsten Kopf überspringt, sondern er bleibt im einzelnen Denkkopf verhaftet – und geht mit diesem Denkkopf unwiderruflich unter. Daher steigert sich die Menschheit auch im Denken nicht, denn das Denken muss sich immer wieder von vorne angeeignet werden. Dazu fehlt den meisten die Muße. Das Denken bleibt im Einzelnen und der Einzelne stirbt weg. Ein Buch in der Bibliothek ist ein toter Gegenstand, solang es keiner liest und bedenkt. In einer Bibliothek wird kein Wissen bewahrt, dort stehen Bücher. Nur im Menschenkopf kann das Wissen bewahrt werden, als aktives Leben.
Jeder wird als unbeschriebenes Blatt geboren und gibt mit dem Tod das Beschriebene des Blattes wieder ab. Die Körperbeschaffungsvorgaben sind der Stift und das Blatt, die Rahmensetzung. Ein anderes Medium als dieser Körper und seine Möglichkeiten kann nicht gewählt werden, als Analogie eben der Stift und das Blatt und nicht ein Pinsel wie ein riesiges Gemälde. Der nächste Mensch muss wieder von vorne anfangen, auch wenn die vorgegebene Körperstruktur jeden reinen Anfang verhindert.
Das Ganze zu haben, würde jedes Urteil überflüssig machen.
Um das Verstehen zu verstehen, muss bereits alles verstanden worden sein.
Das Gehirn ist ein chronischer Vor-schreiber. Für Erkenntniszwecke wäre es besser, wenn es ein Abschreiber wäre. Stattdessen agiert es in Begriffen die es an die Welt heranträgt, an deren Bäumen Früchte und keine Begriffe wachsen. Das Gehirn blickt nicht die Welt begriffslos an und schreibt den »Text« der Welt ab, es schaut die Welt mit Begriffen an, schreibt den Text vor der Weltbegegnung und schreibt am Ende der Welt Begriffe vor und zu.
Die Wahrheit ist das Selbstverständliche, das sich aus sich selbst heraus versteht.
Neugeborene kämpfen um das Leben, sie wollen das Leben und wissen nicht wieso. Einfach weil nichts anderes zum Leben da ist, weil keine Gegenseite da ist. Da ist nur Leben da, der Tod ist keine Gegenseite, er ist gar keine Seite. Das macht Leben als eine Seite beziehungsweise als »Ganzes« noch nicht erstrebenswert. Nur im »Vergleich« zum Tod bezieht das Leben seine Qualitäten. Man kann nicht anders wollen als zu leben, weil im Tod kein Wollen mehr möglich ist. Das ist der Trick des Lebens, das ist der Grund warum es alle bejahen, unterstützten – einfach da nichts anderes vorliegt. Lebensergreifung aus Mangel an Alternativen.
Beim das Zu-denkende ist es erforderlich sich nicht von den angehäuften Schriftvorgaben, den Textbergen der Philosophen, terrorisieren zu lassen. Ihre Denkvorgaben müssen nicht den eigenen entsprechen. Die Philosophiegeschichte sollte nicht als Belastung aufgenommen werden, es darf jedoch auch nicht übereilig von ihr ent-lastet werden, denn erst mit ihrer Hilfe kann sich die nötige Denkschwere verabreicht werden. Das durch andere Gedachte muss in einem neu verpackt werden. Nicht in aller Leichtigkeit, sondern in aller erforderlichen Schwere, ohne sich von den irreführenden Gedankensteinen hinabziehen zu lassen. Alle Philosophien, die Gott als das Primäre festsetzen, sind unnötiger Ballast, da sie das Zu-denkende nicht mehr wagen.
Wer das Denken verschmäht, verschmäht die einzige Menschenmöglichkeit, verschmäht das, was den Menschen erst in der Selbstbeschreibung zum Menschen werden lässt.
Geeigneter als die Metapher Grund ist nach dem Anfang zu fragen, nach dem Unterschiedslosen aus dem sich später dann in aller Paradoxie Unterschiede ergeben.
Ohnehin verwundet sich das Denken selbst, wenn es seine eigene Denkkraft in die Frage stellt. Diese Wunde wollen viele gleich wieder schließen, indem sie sich ein Antworten-Pflaster aufkleben. Denkend auszubluten kann jedoch für das Denken sehr hilfreich sein. Dem ausgetrockneten Denken fehlt es an der nötigen Kraft für Lügen.
Gott wird immer nur das Positive angerechnet, die Heilung, aber nie die Ursache, die eine Heilung notwendig macht. Gott als Segen wird erst eingeschaltet, wenn alles gut ging. Dann war es Gott. Gott hat den besten Job der Welt, geht es nicht gut, war sein Weg eben unergründlich.
Die Verführung gelingt, da die meisten Menschen sich nur allzu gerne von sich weg-führen lassen. Das Wohin der neuen Führung ist ihnen egal, solange es nicht zurück zu ihrem Ich führt.
Manche haben kein ausgeprägtes Ich, es verlangt ihnen daher nichts ab, sich für andere aufzuopfern. Sie opfern nicht Ihr Ich, da sie ohnehin auf der Flucht davor sind. Es ist daher keine große Opferleistung.
Wenn jemand zu mir sagt, du hast das und das ja nicht einmal ansatzweise verstanden. Dann kann ich immer aufrichtig antworten: Ganz genau, ich hab es nicht verstanden, ich habe kein Verstehen.
Ich kriege das Bild jener Mutter nicht aus dem Kopf, die ihren Kinderwagen neben die Eingangstür des Krankenhauses setzte, weil sie zu sehr mit dem Smartphone beschäftigt war. Und als es Rums machte, schaute sie nur kurz unverdutzt, korrigierte ihre Fahrtrichtung durch die Eingangstür, und schaute sofort wieder auf ihr Smartphone und so fuhr sie weiter blind durch die Krankenhaushalle. Trotz Erschütterung hat bei der Frau keine Reflexion eingesetzt. Thales wurde verlacht, da er in Beobachtungen versunken in den Brunnen fiel. Jene Smartphonefrau ist wie die thrakische Magd, sie hat ihre Welt als Alltagswelt. Und heute fallen diese Alltagsmenschen selber in den Brunnen, da sie nicht wie Thales auch mal woanders hinschauen, als auf ihr Smartphone.
Eine heile Welt ist nur jenen möglich, die die Trümmer ihres Selbst noch nicht erfahren haben.
Durchhalteparolen können nur wirken, wenn am Ende des Da-musst-du-durch etwas wartet, das dem Durch einen Halt gibt. Das Leben ist es schon mal nicht, denn es bricht weg. Für das Leben lässt sich nicht mit Durchhalteparolen motivieren.
Wohin soll man denn im Leben weiterkommen, frage ich? Man kommt ja nur bis zum Tod, das ist das größtmögliche Weiter. Wer im Leben weitergekommen ist, hat sich sofort umgebracht. Das verstehen die meisten aber nicht unter einem Weiterkommen, sondern sie verstehen darunter, sich mit dem Lebensblödsinn arrangiert zu haben, sich darin einzurichten. Da sind sie aber gar nicht weitergekommen, sie sind rückständig geworden, da sie nicht einmal erkannt haben, dass sich in dieses Leben nicht einrichten lässt, es wegbricht. Da war sogar Jesus schon weiter im Denken, der wusste, dass dieses elende Leben wegbricht. Wer eine Chance haben will, der erhält sie nur in einem anderen Reich. Daher legen manche ihren ganzen Wetteinsatz darauf, wie Pascal, oder andere wie Jesus eben seine ganzen Illusionen, seine ganze Kraft dahinein. Dieses wegsterbende Leben bietet keine Chancen. In dieses Leben zu investieren ist eine erwiesene Dummheit. In ein anderes Leben zu investieren wohl auch. Der Mensch kommt um die Dummheit wohl nicht ganz herum, aber er vergrößert seine Dummheit, wenn er glaubt, er sei nun weiter gekommen, weil er entweder das eine tue (Irdische als Paradies einrichten) oder b) aufs jenseitige Paradies zu warten.
In die Welt kann man nicht mehr auswandern, kein Fleckchen ist unbesetzt, es bleibt nur noch übrig ein gedanklicher Eremit zu sein. Nicht im religiösen Sinne, die Wortwurzel reicht weiter als in das Mittelalter der Klöster zurück. Die Begrifflichkeit Denkeremit ist passender als vom Gedankenexil zu sprechen. Exil wäre auch Flucht, sich selbst Aussperren. Der Denkeremit wandert gedanklich dort, auf einem Weg, den die andern gar nicht kennen. Er ist nicht vertrieben, er hat seinen Denktrieb angenommen und sich selbst auf den Denkweg begeben. (S. 33)
Lieber aufrichtiges Leiden oder Traurigkeit, als geheuchelte Hoffnung. (S. 69)
Würde das Denken keine Begriffe vorab setzen, könnte es keinen Blick vornehmen. (S. 26)
Die Denk-einstellung muss stets neu adjustiert werden, da das Leben nicht fest-gestellt ist. (S. 62)
Ohne Denken hätte ich zwar keine guten Gründe um aus dem Leben abzutreten, aber ohne Denken würde ich auch gar keine dafür benötigen! (S. 68)
Philosophie, die es ernst mit sich meint, versucht eine Frage aufzuwerfen, die es ermöglicht nach Allem zu fragen. (S. 5)
Die Geschichte der Philosophie ist auch eine Geschichte der Eitelkeit. Sokrates nimmt sich wichtig genug, um alle anderen zu befragen, ihn das Gespräch aufzudrängen. Er verspürt den unstillbaren Drang sie zu gängeln, ihnen zu zeigen, dass sie nicht klüger sind als er. Er vertritt das unausgesprochene Motto, wenn ich zu unfähig bin mir eine brauchbare Illusion zurechtzulegen, dann muss ich wenigstens die der anderen zerstören, damit sie mir keinen Schritt voraus sind. (S. 8)
Wenn einen niemand mehr ernst nimmt, muss das den eigenen Ernst nicht berühren. (S. 19)
[…] meine Arbeit ist totgedrungen endlich […]. (S. 21)
Jedes Lebewesen wird in das Sterben hineingeboren, ist faktisch ein Sterbewesen. (S. 24)
Die Wahrheit kommt immer zu spät, sie ist bereits da, und verpasst ihren eigenen Anfang. (S. 29)
Das Denken ist der blinde Fleck des Denkens, einzelne Gedanken ziehen sich empor, aber das Emporziehende schlechthin, das Denken, taucht in keinem Gedanken auf. (S. 30)
In dem Maße wie die Menschen besser miteinander harmonisieren, werden sie das Individuelle zerstört haben. Eine plumpe Massenkultur, mit einem Massengeschmack, der niemandem mehr groß aufregt, wird sich etabliert haben. Diese Menschen werden sich untereinander »verstehen«, denn ihnen ist nichts anderes bekannt, wohin sie sich bewegen könnten. (S. 39)
abgenutzt
Von sich auszusagen, ein nützlicher Mensch zu sein, ist eine problematische Äußerung. Um ein nützlicher Mensch zu sein, muss der Wille zum benutzt-werden und ausnutzen vorliegen. Dem Anderen vorzuwerfen sich endlich nützlich zu machen ist gleichbedeutend mit, sich endlich abnutzen zu lassen. (S. 2)
ansprechen
Mit der eigenen Stimme, die noch nach der Eigenheit der Stimme, dem Eigenen des Selbst fragt, kann das Denken sich im Einzelnen ereignen, auch wenn die Masse sich kollektiv mit froher Stimme gegenseitig anspricht, immer ins Wort hineinspricht und dabei letzten Endes nur ungewollt ihre eigene Dummheit (un-)ausgesprochen anspricht und geschwätzig bespricht. Wer sich von seinem Denken angesprochen sieht, wird die Stimmen der Anderen und ihre Wortmitteilungen aus der Distanz aufnehmen, sofern sie ein stilles Denkereignis beinhalten, oder die Entfernung weiter vergrößern, um die eigene Stimme nicht vom Wortlärm der Masse niedergeschrien zu finden, das eigene Wort nicht im massiven Massengetöse zu verlieren. (S. 5)
Philosophie III
Der Mensch ist, was er ist, und was er ist, ist eine Frage. (S. 40)
unvoreingenommen
Um ein Gott bis in den Anfang hinein sein zu können muss er seine Position vor dem Nichts eingenommen haben, er muss bereits von sich eingenommen sein. (S. 46)
Vergleichbarkeit
Ich bin ein Unikat des Seins und wer auf Einzigartigkeiten steht sollte mich tatsächlich unter Naturschutz stellen, denn ich bin vom Aussterben bedroht. (S. 50)
Mein Leben in den Tod
Ein Denken, das nicht vom Ich ausgeht, wird auch nie zu einem Gedanken kommen, der irgendein Ich dieser Welt anspricht. (S. 62)
Zu kurz geratene Sätze
Nichts macht so unfrei wie die Wahrheit. Die Wahrheit kann nur Wahrheit sein. Die Wahrheit erlöst folglich von nichts. (S. 73)
Sein hat keine Alternative. Der Tod ist keine Alternative. Er ist Nichts. (S. 79)
Jede Schrift ist ein Nachdruck, vom Erstdruck Sein. (S. 79)
Ein jeder lebt so in den Tod hinein. (S. 80)
Was die Menschen überwiegend eint sind die Fragen, was sie trennt, sind die Antworten. Wer die Menschheit spalten will muss mit Antworten daherkommen. (S. 80)
Ein Glaube, der sich nur über Buchtexte angeeignet werden kann (NT) ist ohnehin kein genuiner Glaube. Die Welt muss angesehen werden und aus dieser Ansehung entsteht dann der wahre Glaube. Alles andere ist ja nur Auswendiglernen und Zucht. Wann ist die Zeit reif für einen wahren Glauben? (S. 83)
Flüchtige Notizen
Denken ist ein Problem der Ganzhaftigkeit. Aber was soll das besagen? Hat das ganze keinen äußeren Rand, ist es nicht abgeschlossen, hat es einen äußeren Rand ist es nicht ganz, denn was ist jenseits des Randes? (S. 87)
Gesundheit ist, wenn man nichts von sich bemerkt. Darum ist vielen Denken so lästig, da bemerken sie sich. Im Denken fühlen sie sich krank und nicht gesund. (S. 89)
Will der Körper ununterbrochen etwas oder tut er nicht bloß ununterbrochen etwas? Eine Differenz! (S. 93)
Brief an meinen ehemaligen Philosophielehrer (2006-2007, Grundkurs Philosophie) 30.1.2009 Herr Frost (?), Philosophielehrer
Mir hat der Nihilismus oft geholfen, weil das was in dem einem Moment dringlich und wichtig erscheint, plagend und zerstörerisch, in Bezug aufs Ganze gesehen nichtig und unwichtig ist. Für mich immer ein sehr tröstlicher Gedanke. Probleme sind eine Frage der Perspektive, gut wenn man mehrere Perspektiven zur Auswahl hat. (S. 129)
Congratulations @egregantius! You received a personal award!
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