Transidentität - Sexualität - bin ich jetzt Schwul oder was?

in #transgender6 years ago (edited)

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Seit ich offen mit meiner Transidentität umgehe, wird mir sehr oft die Frage nach meiner Sexualität gestellt.

Stört mich überhaupt nicht und ich kann die Verbindung auch nachvollziehen, ergibt in meiner Wahrnehmung aber wenig Sinn. Für mich besteht da einfach kein Zusammenhang.

Die Hausärztin meiner Mutter, war früher auch meine und kennt mich, seit ich klein bin. Als meine Mutter ihr von meinem Weg berichtete, sagte sie ganz erstaunt.

»Aber Rachel war doch nie lesbisch.«

Die einen sind entweder sehr erstaunt darüber, dass ich 9 Jahre in einer Beziehung zu einen Mann lebte, wohlgemerkt eine ganz wunderbare Beziehung! Während andere davon ausgehen, dass ich auch weiterhin meine Sexualität mit Männern leben werde.

Dass ich im Grunde nie eine Sexualität gelebt habe und man mich vermutlich als asexuell bezeichnen müsste, ist für die wenigsten eine Option. Dabei ist es naheliegend. Wie soll man Sex genießen, wenn man seinen eigenen Körper so sehr ablehnt, dass man beinahe von Hass sprechen müsste?

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Wenn man mich fragt, was bin ich denn nun, keine Ahnung. Die Frage hat sich für mich nie wirklich gestellt. Weder fand ich andere Menschen sexuell besonders anziehend noch mich selber sexuell attraktiv. Klar gibt es schöne Menschen, die schöne Körper haben, aber mit denen will ich kein Techtelmechtel ausleben. Ich find sie einfach gutaussehend und Ende. Sowohl Männer als auch Frauen.

Mir war immer klar, ich möchte eine Familie gründen und dazu, das wusste damals jeder, brauchst du einen Partner des anderen Geschlechtes. Also begab ich mich quasi auf die Suche und erstellte eine Liste, was mein Partner so für ein Mensch sein muss, damit ich mit ihm mein Leben verbringen möchte.
Und dann traf ich meinen Mann. Da war die Sache klar, das passte damals wie Arsch auf Eimer. Wir waren 9 Jahre sehr glücklich miteinander ohne Sex. Ja stellt euch vor, das geht. Man kann sich lieben, schätzen und eine erfüllte Beziehung führen, ohne den Austausch von Körperflüssigkeiten und so... Liebe kann viele Facetten haben und wir waren ein unglaublich gutes Team, die besten Freunde und konnten uns 100% aufeinander verlassen.

Jetzt will ich weder Sex noch eine Beziehung. Ich fühle mich so absolut bedient vom Leben, erfüllt und glücklich. Ich werde geliebt, habe tolle Freunde, muss mich mit niemandem absprechen, mich nicht an die Bedürfnisse eines Anderen anpassen. Es besteht genau null Verlangen, auf diese sexuelle intime Art eine Bindung einzugehen, weder mit einem Mann noch mit einer Frau.

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Allerdings denke ich, wenn ich in ein zwei oder drei Jahren wieder eine Beziehung eingehen wollen sollte, wäre das ziemlich sicher eine Frau. Ich empfinde mich als heterosexueller Mensch. Als Frau also mit Männern, als Mann mit Frauen.

Transgender zu sein, hat nichts mit der Sexualität zu tun. Es gibt da alle Varianten.

Z.B gibt es einen Schweizer Arzt, der als Frau geboren wurde. Als Frau war er lesbisch. Er ging also davon aus, dass er nach der Angleichung als heterosexuell angesehen würde. (War er dann als Transmann im weiblichen Körper lesbisch oder hetero? Zählt da die Seele oder der Körper?)

Als er dann aber durch war mit der Angleichung, verliebte er sich in einen Mann. Inzwischen hat er diesen Mann geheiratet und scheint sehr glücklich damit. Er war also vorher homosexuell und nachher auch.

Dann gibts halt auch Fälle, die standen vor der Angleichung zum Mann auf Frauen und danach immer noch. Sie empfinden sich schon ihr ganzes Leben lang als hetero, auch wenn ihr Umfeld sie lange als lesbisch deklariert hat.

Ihr seht, die Frage ist nur relativ sinnbehaftet und nicht wirklich einfach zu beantworten.

Ist Sexualtität überhaupt etwas, was wir so definieren müssen und warum, ist dass für viele Menschen so wichtig?

Diese Thematik funkte mir im Leben sehr oft dazwischen. Ich suchte immer Jungs als Freunde, ich wollte einen Buddy. Und jedes Mal wenn ich einen Jungen/Mann fand, mit dem ich richtig gut konnte und viel machte, mit dem es einfach passte. Kam irgendwann die frag, sind wir ein Paar? Es scheint in unserer Gesellschaft nicht wirklich vorstellbar, dass Männer und Frauen einfach beste Kumpels sein können, wenn man so eng miteinander ist, muss es eine sexuelle Beziehung sein. Meistens hatte ich das Glück, dass sich die Sache klären konnte und die Jungs sind noch heute gute Freunde von mir.

Habt ihr euch schonmal Gedanken dazu gemacht?

Die sexuellen Normen scheinen ja immer mehr aufzuweichen wenn man jungen Leuten auf Youtube so zuhört. Asexuell, pansexuell, bisexuell, homosexuell, heterosexuell und garantiert gibts da noch mehr.
Was denkt ihr, brauchen wir wirklich eine Definition dafür, werdet ihr oft gefragt, welche Sexualität ihr auslebt und bestimmt die Seele oder der Körper, welcher Orientierung man angehört?

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(Bildquelle Pixabay CC0 Lizenz)

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Hey Raffi,
ich habe dir ja schon einmal von meiner Bekannten berichtet, die einst mein Bekannter gewesen ist.
Sie ist mit der Frau zusammen geblieben, die er einst geheiratet und mit der er Kinder gezeugt hat.
Es handelt sich um eine wunderbare Beziehung.
Die Frage "Seid ihr jetzt lesbisch?" habe ich nie gestellt. Sie wäre wohl auch schwachsinnig. Ich denke, sie lieben jeweils die andere Person. Das ist die Hauptsache, der Rest ist mir ohnehin egal, ihre Sexualität geht mich nichts an.
LG, Chriddi

Hey Chriddi :)

Genau, wenn der Mensch an sich geliebt wird, spielt das Geschlecht weniger eine Rolle, seh ich genauso. Funktioniert aber vermutlich in den wenigsten Fällen dauerhaft, was ich ebenfalls verstehen kann.

Toller Artikel und dass du so offen darüber reden / bloggen kannst :) Hab mich früher auch unwohl in meinem Körper gefühlt und mich mehr als Mädchen gesehen, aber irgendwann habe ich dann doch die Entscheidung getroffen, dass ich in meinem Körper bleiben möchte und mich so akzeptiere, wie ich bin. Das Problem ist vlt auch gar nicht so sehr der Körper, sondern die ganzen sozialen Normen, Zwänge und unflexiblen Rollenbilder, denk ich jetzt.

Naja, es ist ja ein Thema was uns alle irgendwie in irgend einer Form betrifft.
Ich glaube, man muss da Unterschiede machen.
Für mich persönlich, scheiss ich auf Normen, Zwänge und sonst was, ich mach was ich will und wie ich es will. Ich hab mich noch nie erfolgreich angepasst und bin sowieso ... schräg :D

Mir geht es dabei um mich ganz persönlich. Wenn ich in den Spiegel schaue, passt das was mir da entgegen schaut einfach nicht zu mir. Meine Stimme gehört mir nicht, sie ist einfach zu weiblich. Es geht allein um mein Selbstbild und das, was ich ausleben kann oder eben nicht.

Tolles tiefgreifendes Thema. Ich will das Thema sex gar nicht erst aufgreifen, da gehe ich ziemlich mit dir einig Raffi. Bei mir waren es andere Chliche's die ich versuchte zu bedienen als Mann oder nicht als Frau:

  • der Mann soll nicht heulen
  • darf keine Schwäche zeigen
  • und viel anderen Bullshit

Damit kam ich; mein Körper zum Teil nie klar und ich stoss mich immer wieder auch an mir selber. Ging schlussendlich soweit, das mir der Körper stresstechnisch einen Strich zog und mich ausser Gefecht setzte.

Bei mir war dies auch ein Prozess, das zu lieben machen oder einfach umzusetzen, was ich echt spürte, mein Körper mi sagte...

Danke für die tiefgreifenden Worte

Hm ja, kann ich gut verstehen. Es dauert ja schon ewig zu erkennen, was man tut weil man denkt, es wird erwartet. Gewisse Bilder hinterfragt man nie und denkt, sie gehören zu einem, obwohl sie genau dass gar nicht tun, spannend auf jeden Fall.

Guten Morgen,

erst mal auch von mir vielen Dank für deinen tollen Beitrag, ich habe ihn sehr interessiert gelesen. Glückwunsch auch dafür, dass Du DDich scheinbar so gefunden hast, das ist nämlich glaube ich auch so ein Problem bei der Sexualität und auch generell im Leben (ich zähle mich da durchaus mit ein) zu Problemen führt. Aber das würde hier wahrscheinlich zu weit führen, beziehungsweise ist einen eigenen Beitrag wert.
Was ich allerdings auch denke, dass es Freundschaften zwischen Männern und Frauen wirklich nur unter einigen Umständen gibt. Vielleicht ernte ich gleich einen Shitstorm, aber Männer sind mit Frauen eigentlich meist nur befreundet, wenn sie entweder einen Nutzen haben, oder wir sie sexuell attraktiv finden. Dadurch können auf die Dauer in beiden Szenarien auch richtig feste und intensive Freundschaften entstehen, aber der Ursprung liegt in dem angesprochenen. Ich habe eine beste Freundin, für die ich alles geben würde, aber ursprünglich wollte ich sie als Partnerin. Heute würde ich das nicht mehr wollen, um diese Freundschaft nicht zu gefährden.
Kurzum, jeder soll machen, was ihm gut tut, keinem schadet und glücklich damit ist!

Hi.

Danke für die lieben Worte.
Gefunden ist relativ, ich glaube nicht, dass ich mich effektiv gefunden habe, ich bin noch auf dem Weg aber dass ist ok :) Dazu ist ja das Leben da.

Das was du über Männer und Frauen sagst, kann man wohl generalisieren auf Menschen grundsätzlich.
Alles was wir tun, ergibt für uns einen Nutzen, befriedigt irgend ein Bedürfnis oder eine Sehnsucht.

Und ja, solche Freundschaften kenne ich. Ich hatte mal so einen Freund, bei dem wir beide uns nicht sicher waren. Weil wir noch 3 weitere gemeinsame Freunde hatten beschlossen wir, dass Risiko ist es nicht wert. Heute ist er einer meiner besten Freunde, hat eine tolle Frau und einen zuckersüssen kleinen Sohn.

Ich hab im Bekanntenkreis einen jungen Mann. Verheiratet und Vater eines Kindes im Vorschulalter.
Vor ca. zwei Jahren hat er sich "geoutet": er möchte eigentlich und schon immer eine Frau sein. Nach dieser Offenbarung gab es für ihn kein halten mehr. Er unternahm alle Schritte um sich so schnell wie möglich angleichen zu lassen.
Außerdem setzte alles daran, seine Ehe und Familie zu erhalten - allerdings konnte seine Frau dieser neuen Situation nichts positives abgewinnen. Daher ist er heut geschieden.

J. (Name gekürzt) fühlt sich offensichtlich sehr wohl im neuen Körper, hat jetzt langes blondes Haar. Liebt es hochhackige Schuhe und kurze Röckchen zu tragen und zeigt voller Stolz die langen, wirklich schönen Beine.
Derzeit ist J. noch auf der Suche nach einer neuen festen Partnerin den er/sie fühlt sich immer noch zu Frauen hingezogen.
Sehr schön finde ich, das alle seine männlichen Freunde seine Entscheidung akzeptiert haben und ihn so annehmen, wie er ist.

Oh wow, dass ist sehr mutig.
Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass ich den Schritt mit einem Kind gemacht hätte. Wobei natürlich glückliche Eltern für ein Kind auch sehr wichtig sind. Hab sehr viel Respekt davor, wenn man mit Familie diesen Weg geht.

Für die Menschen, die einen am meisten lieben, ist es wohl am schwersten.
Ich merke bei meiner Familie, dass es sehr viel auch mit ihrer Identität macht, wenn ich mich so verändere. Finde ich sehr spannend.

Die meisten Menschen, die einem nicht sooo nahe stehen, können besser damit umgehen :)

Liebe Grüsse und schön, dass du vorbei geschaut hast.

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Solange alle Beteiligten einverstanden sind und fähig, ihre Entscheidungen selber zu treffen, soll doch jeder machen, wie er lustig ist.
Es gibt so viele verschiedene Menschen und so viele Wege, das eigene Glück auszuleben.
Ich verspüre keinerlei Bedürfnis, mich zu binden oder eine Familie zu gründen. Das stößt oft auf Unverständnis, aber darauf kann ich natürlich keine Rücksicht nehmen. :D

Seh ich genauso.
Im Moment habe ich den Wunsch einer solchen Bindung und Verantwortung auch absolut nicht, kann dich da also echt gut verstehen :) Viele aber nicht, wobei die meisten die es nicht verstehen, schon mitten drin hängen :)

Welche Sexualität ich auslebe, geht sowieso alle einen feuchten Kehricht an. Von daher erübrigt sich die Frage für mich ohnehin :-)

Aber jeder darf doch lieben wen er will also ist das doch schnurzpiep egal! :3 Was nicht heißt dass es kein interessantes thema ist xD hach der Mensch ist ein tolles wesen sooo voller wunder :3

Die Gesellschaft ist echt komisch und man kommt einfach an Vorurteilen nicht vorbei! :( Ich habe eine beste Freundin und... es wurde schon soooo oft von Freunden und Bekannten gefragt ob wir zusammen wären.... 😅 Just nOOoOoO!!!1!!1! xD richtig komische Welt...

Klar, es geht dabei auch nicht darum, wer was wie wo wen lieben darf.
Es ist eher witzig, dass vorher niemals ein Mensch mich gefragt hat, auf was ich sexuell so stehe und seit ich sage, ich gleiche mein Äusseres dem Männlichen an, interessiert das auf einmal sehr viele.

Und ja, es ist offenbar für viele sehr schwer nachvollziehbar, wenn Männlein und Weiblein einfach nur beste Freunde sind.