Schaurig - Was mir auf einer unbekannten Straße passierte...
Die meisten Donnerstagnächte verbringe ich mit Autofahren. Ich bringe die Kleine nach Hause und dann fahre ich los, einfach nur irgendwohin. Ich brauche diese wenigen, kurzen Momente, in denen ich mich ganz befreit fühle.
Es gibt eine Straße entlang eines alten Gartencenters, in dem all meine Freunde für ein paar Jahre gearbeitet haben. Sie beginnt etwas außerhalb der Südstadt; eine kleine Straße, die sich so scharf nach rechts dreht, dass ich 20 unterhalb der Geschwindigkeitsbegrenzung fahren muss, nur um sie rechtzeitig zu sehen. Sie führt geradewegs am Gartencenter vorbei in bloße Schwärze. Ich war schon mit ein paar Freunden auf dieser Straße unterwegs, und ich kann die meisten Kurven und Übergänge vorhersagen, noch lange bevor ich sie sehen würde.
Sobald ich das Licht der Stadt zurückgelassen habe, schalte ich das Fernlicht an, und biege scharf rechts ab auf die Straße. Ich bin wohl zu schnell in die Kurve gegangen; Schotter und Staub verdecken meine Heckscheibe wie eine schwarze Wolke, die all das Licht von der Stadt hinter mir wegnimmt, nur für einen Augenblick. Die Reifen haben Traktion verloren, und ich fange an, in Richtung Graben zu rutschen, doch zum Glück rette ich mich um Haaresbreite. Mein kleiner Toyota Tercel ist nicht das Beste für Schotterwege, aber er ist gut genug, um von ihm das zu bekommen, was ich will.
Die Straße erstreckt sich weit über mein Sichtfeld hinweg, und verschwimmt in schaurige Finsternis. Daneben sind ein paar Häuser, kleine Ackerländer und Scheunen verstreut, jede mit ihren eigenen, verwinkelten Wegen. Die Bäume ragen von oben herab, und zersplittern das Licht, das vom Himmel scheint. Lange Zweige strecken sich zum Boden hin, wie lange, zeigende Finger. Ich beschleunige immer mehr, als die Straße beginnt, sich zu einer Geraden zu formen, und ich beobachte den Rand meines Scheinwerferlichts, der mich auf dem Weg zu einem stillen Ort leitet, weit jenseits all unserer Sorgen.
Oben, am Rand des Hügels ist ein Aussichtspunkt, von dem man die Stadt sehen kann. Dieser ist ein beliebter Ort für Teenager hier im Süden; dort sind oft Pärchen anzutreffen, die ihre Nacht festigen wollen, gelegentlich auch Gruppen von Kiffern, die sich einfach gerne was ansehen. Die Straße führt an diese Stelle, und windet sich nach rechts bis an die Spitze. Während ich mich hocharbeite, sehe ich schon die Heckleuchten von vier bis fünf Fahrzeugen, die schon oben sind, alle für sich selbst.
Ich sehe eine dunklere Straße, weitaus weniger befahren, die zu meiner linken erscheint, und die Stadtspäher umgeht. Ich habe diese Straße noch nie zuvor gesehen, aber ich dachte mir, ich habe einen vollen Tank und bleibe nur eine Stunde von der Stadt entfernt, also was soll’s? Es könnte sich für mich lohnen, mir etwas anzusehen, was ich noch nicht gesehen habe.
Die Straße verläuft geradewegs in westliche Richtung, ohne Häuser, Bauernhöfe, oder Scheunen daneben Selbst die Bäume sind verschwunden, was die Sicht auf ein riesiges Ackerland öffnet. Auf beiden Seiten sind Hügel, die die Sicht auf weitere Äcker versperren.
Perfekt.
Ich halte mich eine lange Zeit auf dieser Straße. Mein iPod ist auf Zufall gestellt, und die meisten Musikstücke treffen all die richtigen Töne, die ich hören mag, besonders die von Led Zeppelin. Es gibt nichts besseres, als Stairway to Heaven zu pumpen, um all die Geräusche von außen zu übertönen.
Es müssen 20 Minuten vergangen sein, bis ich angefangen habe, mir Sorgen zu machen.
Die Hügel zu beiden Seiten des Wagens sind so nahe an die Straße herangewachsen, dass sie zu Wänden geworden sind, die die Sicht um mich herum einschränken. Es ist ein kleines Tal, das sich scheinbar bis in die Unendlichkeit erstreckt. Ich dachte mir, ich sollte einfach umdrehen, und den Weg zurückgehen. Ich bin keine Kurven gefahren, also sollte es mir leichtfallen, dem Weg zurück zu folgen.
Also fahre ich rechts ran und wende. Ich habe sogar den Blinker gesetzt; ich weiß nicht, warum. Für eine Sekunde aber ist das Blinkerlicht auf etwas gefallen, was mich sofort anhalten ließ. Es war groß, und sah aus wie ein Mann, aber das konnte nicht sein. Es konnte ein Busch sein, dessen Schatten größer und sogar länglicher aussahen. Ich habe noch einige Sekunden lang gewartet, mit meinen Scheinwerfern auf die Stelle gerichtet, doch da ist nichts.
Mein Auto ist in Schwung gekommen, und ich gleite dahin. Ich fahre nicht schneller, als es nötig wäre, weil es da draußen viel Wild gibt, das sich gerne in den Weg stellt. Doch ich bewege mich schnell genug, sodass ich das Tempolimit öfter überschreite.
Von hinten kommt ein Licht in meinen Rückspiegel. Ich konnte es zuerst nicht erkennen, aber es sind definitiv Scheinwerfer, und sie kommen näher. Ich halte mich stets in Bewegung, werde aber langsamer für den Fall, dass es einer dieser Verkehrspolizisten ist, der seine Runden auf verlassenen Straßen dreht. Doch irgendetwas sagte mir, dass die Person hinter mir, wer auch immer das sein mag, kein Abzeichen trägt
Der Wagen kommt näher und näher. Er holt mich ein, als würde er von etwas gejagt werden. Sobald er besser zu sehen ist, rauscht er an mir in der Gegenspur vorbei und hupt wie verrückt. Könnten ein paar Jugendliche auf dem Weg zu einer Bierparty sein, keine Ahnung. Es hatte mich nicht wirklich beunruhigt, bis ich in den Rückspiegel schaue.
Hinter mir ist ein Gesicht ohne Merkmale, bleich wie Papier, und es starrt mich an. Es bewegt sich nicht. Es reagiert nicht einmal auf die Unebenheiten der Straße. Es ist einfach da, wie ein Bild auf einem Monitor, mit dem Blick auf mich gerichtet. Ich habe mich so erschrocken, dass ich beinahe die Kontrolle über meinen Wagen verloren habe, und schlittere über den linken und den rechten Fahrstreifen, als ich versuche, mich einzukriegen.
Ich schaue zurück, und da ist nichts, nicht eine einzige Sache. Die Luft ist dicker als zuvor, sie ist nahezu dunstig, und jeder Atemzug füllt meine Lungen mit stickiger, feuchter Luft.
Ich bin verängstigt. Ich trete fest aufs Gaspedal, und beschleunige auf bisher unberührte Zahlen auf meinem Tachometer. Ich frage mich, ob es das ist, wovor die andere Person weggefahren ist, und ob sie entkommen ist.
Dann sehe ich ein schwaches, rotes Licht in der Ferne: ein anderes Auto. Dieses fährt langsamer, fast schon in einem Spaziertempo. Ich weiß nicht, ob die glauben, dass sie in Ordnung wären, aber wenn es mich bekommen hat, kann es auch sie bekommen. Ich fange an, wie wahnsinnig zu hupen, und überhole das Auto auf der Gegenspur. Es macht keine Anstalten.
Ich schaue wieder in den Rückspiegel und sehe etwas. Nicht es, aber mich selbst, wie ich das andere Auto fahre. Ich habe ein übles Gefühl im Bauch, als würde ich mich gleich übergeben.
Nein, das konnte nicht ich sein. Ich schüttle den Kopf, um mich zusammenzureißen, damit ich die Straße wieder im Blick habe.
Meine Augen sehen wieder klar, und die Scheinwerfer hinter mir verschwinden in Schwärze. Ich bin endlich da raus, und ich kann sehen, dass die Hügel wieder auseinandergehen, wie zu Beginn. Ich genehmige mir ein Lachen, und reibe mir den Schlaf aus den Augen.
Ich öffne die Augen wieder, und das Ding steht direkt vor meinem Wagen, finster und gekrümmt. Es starrt mich mit denselben, nicht existierenden Augen an. Meine Räder kommen auf den Schotter, als ich versuche, ihm auszuweichen, und ich fahre mit voller Geschwindigkeit in den Graben, der Wagen überschlägt sich.
Ich frage mich langsam, wieso ich diese Straße ausgewählt habe. Es hätte jede andere sein können. Ich krieche aus dem Wrack mit all der Kraft, die ich noch habe. Noch bevor ich einschlafe, fährt ein Toyota Tercel über die Straße, aus dem Stairway to Heaven dröhnt.
Ich habe mir nicht einmal die Mühe gemacht, zu schreien…
Originaltitel: The Road
Autor: Will C.
Link zum Original: http://www.creepypasta.com/road/
Übersetzer: Creepostad M
Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/legalcode.de
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