Empörung nach Drehbuch – Wie eine künstliche Kampagne den öffentlichen Diskurs ersetzt
Wer die politische Debatte in Deutschland seit Jahren beobachtet, erkennt ein wiederkehrendes Muster: Ein Ausschnitt, ein Halbsatz, ein bewusst missverstandenes Detail wird in Rekordzeit zu einem moralischen Skandal aufgeblasen — und die immer gleichen Akteure liefern sich anschließend einen Wettbewerb im Empörungstheater.
Der jüngste Fall um Robert Siegmund, AfD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2026 in Sachsen-Anhalt, reiht sich millimetergenau in dieses Muster ein. Im WELT-Interview wurde Siegmund vom Journalisten Vincent Venn — einem für konfrontative Kampagnenlogik bekannten Interviewer — gezielt auf eine Falle zugesteuert. Ein komplexes Thema wurde auf einen einzigen „richtigen“ Satz reduziert, und die mediale Maschinerie sprang an wie auf Knopfdruck.
Plötzlich posten dutzende Politikerinnen und Politiker – nahezu wortgleich – dramatische Warnungen, Verharmlosungs-Vorwürfe, moralische Alarmrufe.
Wer die Mechanik kennt, weiß: Das ist kein spontaner moralischer Aufschrei. Das ist orchestriertes Agenda-Setting.
Die Doppelbindung: Egal was gesagt wird, es ist falsch
Der Kern dieser Art Kampagne ist nicht Inhalt, sondern Struktur: Der Betroffene kann nicht gewinnen, weil jede Antwort automatisch falsch ist.
- Hätte er gesagt: „Der Holocaust war das schlimmste Menschheitsverbrechen.“ → Dann würde die Empörungswelle sofort lautstark erklären: „Aha! Relativierung anderer Verbrechen (Stalin, Mao)!“
- Sagt er: dass menschliches Leid nicht in eine moralische Rankingliste gehört → Dann heißt es: „Verharmlost den Holocaust! Bedient rechte Narrative!“
Diese Art von Kommunikation funktioniert wie eine rhetorische Falle: Sie ist nicht darauf ausgelegt, ein echtes Gespräch zu führen — sondern darauf, einen politischen Gegner moralisch festzunageln, egal was er sagt.
Auffällig: Die Gleichschaltung der Empörungs-Posts
Besonders auffällig ist die Geschwindigkeit und Homogenität, mit der dutzende politische Accounts – überwiegend aus linken und linksliberalen Spektren, aber erstaunlicherweise auch einzelne konservative Stimmen – nahezu identische Erzählungen verbreiten. Wortwahl, Ton, Dramaturgie und Formulierungen erscheinen wie aus einer Vorlage kopiert.
In einer echten demokratischen Debattenkultur würden unterschiedliche Stimmen unterschiedliche Sichtweisen einbringen. Doch hier entsteht ein anderes Bild: eine synchronisierte Empörung, die eher nach Kampagnenlogik funktioniert als nach ernsthaftem demokratischem Austausch.
Die Ironie: Projektion statt Argument
Der Vorwurf, jemand relativiere Geschichtsverbrechen, indem er nicht bereit sei, menschliches Grauen in ein Ranking zu pressen, ist an Absurdität kaum zu überbieten. Historisch betrachtet haben alle totalitären Systeme unfassbares Leid verursacht — jedes in eigener Dimension und mit eigener Ideologie.
Das anzuerkennen heißt nicht zu relativieren. Es heißt, die Würde der Opfer aller Systeme ernst zu nehmen. Wer aber verlangt, dass ein Mensch ein einziges Grauen als das „richtige“ Grauen auswählt, betreibt am Ende genau das, was er dem politischen Gegner vorwirft: eine instrumentelle Nutzung historischer Verbrechen für Gegenwartszwecke.
Das größere Bild: Die politische Mitte spricht heute mit einer Stimme
Der Vorfall zeigt auch: Die politische Mitte hat sich kommunikationsstrategisch stark vereinheitlicht. Selbst Teile der CDU — einst Garant einer klar konservativen Erzählung — bedienen heute Muster, die früher fast ausschließlich aus dem linkspolitischen Spektrum kamen.
Politiker wie Ottilie Klein reagieren inzwischen nach exakt denselben rhetorischen Skripten wie Aktivisten der Linkspartei. Die reaktiven Schnellschüsse und das reflexhafte Moralisieren sagen am Ende mehr über die Absender aus als über den Angegriffenen. Es ist ein Indiz für eine politische Kultur, die sich selbst entlarvt.
Fazit: Deutschland braucht wieder Debatten – keine koordinierte Empörung nach Drehbuch
Dieser Fall ist kein Einzelfall. Er ist ein Symptom einer verarmten politischen Kultur, in der moralischer Alarmismus echte Diskussion ersetzt und orchestrierte Empörung die Funktion demokratischer Auseinandersetzung übernimmt.
Wer sich mit Informationspsychologie, Narrative Warfare oder dem FATE-System (Fear – Anger – Trauma – Exhaustion) beschäftigt hat, erkennt die Muster sofort:
- Punktuelle Trigger (emotional aufgeladenes Thema)
- Sofortige moralische Zuspitzung (Schuldzuweisung + Entmenschlichung)
- Concerted Messaging (viele Akteure verbreiten die gleiche Storyline)
- Erzeugung künstlicher sozialer Mehrheitsmeinung
- Ziel: Angst, Wut und moralische Erschöpfung
Das ist Lehrbuch-Material für moderne Methoden der Informationsbeeinflussung im zivilen Diskurs: Eine kontrollierte Erregungswelle, die ein Narrativ durchsetzt und einen politischen Gegner emotional isoliert — unabhängig davon, was faktisch gesagt wurde.
Wer Demokratie ernst nimmt, muss nicht jede Position teilen — aber er muss erkennen, wann eine Kampagne keine Debatte mehr ist, sondern ein sozialpsychologisches Werkzeug zur Verhaltenssteuerung. Nur so kann öffentlicher Diskurs wieder zu dem werden, was er sein sollte: ein Raum für Wahrheitssuche, nicht für vorgefertigte Empörungsrituale.




Ach spannend! Dass aus diesem Satz Empörung resultieren kann, da bin ich erstaunt 🤣
Dennoch war ich zeitweise auch tatsächlich sehr besorgt, da ich häufig gehört habe, die AfD wäre rechtsradikal und eine Gefahr für die Demokratie.
Kennst du dich politisch aus und magst dazu mal was verfassen? Ich bin aktuell noch ganz in meiner Selbstheilung und hab inzwischen wirklich manchmal das Gefühl, mit erwachendem Bewusstsein, ich wurde vielleicht selbst (jahrelang) manipuliert und stehe politisch irgendwie ratlos neben dran und weiß nur, „dass ich nichts weiß“.
Wie ordnest du, falls du dich hier näher mit der AfD auseinander gesetzt hast, denn die Pläne der Partei ein? Z.B. als Frau in Deutschland oder für Menschen, mit Migrationshintergrund? Ist hier Sorge, deiner Meinung nach, berechtigt?
P.s. dein Fazit in diesem Post passt eigentlich gut, zum Fazit meiner Antwort, auf deinen Kommentar, zu meinem Post 😁 Wenn wir uns wieder trauen, offen zu sprechen, bemerken wir, dass die Spaltung hausgemacht und unnötig ist.
Danke dir für deine offenen Worte – und eins vorweg: Ich werde dir nicht raten, wen du wählen sollst oder nicht. Politik ist komplex, und ich sehe mich selbst zwar interessiert – auch weit über Deutschland hinaus –, aber weder als Profi noch als Advokat irgendeiner Partei. Ich sage dir das, was ich als Priester immer gesagt habe: "Höre auf dein Herz und dein Bauchgefühl". Wenn du vor Gott stehst und dich für deine Taten rechtfertigen musst, dann aus Überzeugung, ehrlich offen und nicht "ja weil xyz das gesagt hat und ich blind gefolgt bin".
Aber was ich wahrnehme: Die AfD wird in Deutschland sehr eindeutig benachteiligt und ausgegrenzt. Wenn man aber nicht nur auf Kampagnen hört, sondern sich ihre Programme anschaut, findet man vieles, was früher absoluter CDU-Mainstream war. Angela Merkel wurde damals mit Sätzen wie „Multikulti ist gescheitert“ bekannt, und die Union forderte Obergrenzen, Kontingentsteuerung und deutlich weniger Migration. Heute wirkt es fast surreal, dass man der AfD pauschal Dinge vorwirft, die früher Regierungsposition waren.
Auch der Vorwurf „rechtsradikal“ wirkt für mich – jenseits des politisch gefärbten VS-Berichts – nicht überzeugend. Viele Konstrukte darin erinnern eher an Fälle wie Siegmund: wenig Substanz, viel Interpretation. Meine Freundin ist selbst Lettin, also Migrantin, und selbst sie würde AfD wählen. Das passt nicht zum Bild, das über die Partei verbreitet wird.
Ein Punkt, den man ebenfalls ansprechen muss: Es gibt in Europa ganz klar einen gemeinsamen politischen Kurs, der auf eine langfristige Umgestaltung der Bevölkerung und eine starke Öffnung setzt. Das ist kein „Geheimprojekt“ – es wurde offen gesagt.
Nicolas Sarkozy sprach 2008 sehr direkt davon, dass Europa sich „gleichzeitig verändern“ müsse und dass Politik, Wirtschaft und Bildung darauf verpflichtet werden sollen. Er nutzte dabei das Wort métissage, was wörtlich übersetzt „Rassenmischung“ bedeutet, und sagte sogar, dass institutionelle Akteure, die sich dem widersetzen, „Probleme bekommen“ würden.
Ob man diesen Kurs gut findet oder nicht – er existiert. Aber die Rassenlehre wird natürlich nur der AfD zugeschrieben, wenn man zwischen Biodeutschen und Migrantendeutschen unterscheidet. Hier die Sarkozy Rede: https://rumble.com/v49dmg3-warum-die-ampel-die-migration-nicht-stoppt-sondern-forciert.html
Und hier liegt für mich der Kern: Alle etablierten Parteien teilen diesen Grundkurs.
Darum stehen sie so geschlossen gegen die AfD. Nicht, weil die AfD eine Art „Gefahr“ wäre, sondern weil sie bei diesem Kurs nicht mitmachen würde. Untereinander können die Parteien rotieren, koalieren und sich gegenseitig ablösen – aber die grundlegende migrationspolitische Richtung bleibt gleich. Die AfD wäre die einzige Partei, die das politisch und kommunikativ durchbrechen würde.
Was am Ende eine Regierung tatsächlich tun würde, weiß niemand. Das gilt für jede Partei. Merkel selbst sagte einmal: „Die Menschen dürfen nicht erwarten, dass das, was vor der Wahl gesagt wird, nach der Wahl noch gilt.“
Am Ende bleibt also nur eines: Die Originalquellen lesen, nicht die Kampagnen darüber. Und dann selbst entscheiden, was für einen selbst stimmig ist.
Typisch wieder AFD, er hätte auch einfach sagen können, z. B. "Man kann leid nicht messen aber ja, ich denke auch dass der Holocaust eines der schlimmsten Verbrechen der Geschichte war." Punkt. Komischerweise antwortet die blaue Gesinnung zu diesem Thema immer anders und oft so, dass Zweideutigkeiten verstanden werden können. Hier glaube ich an keinen Zufall mehr sondern an einen rechten Vorlagenkatalog (siehe AFD Berater Götz Kubitschek). Man darf patriotisch sein, politisch rechts eingestellt sein, man muss niemand mögen aber wenns um die Ermordung 6 Mio Menschen (Juden, Kommunisten, Behinderte, Homosexuelle, Sinti, Roma etc) dann wäre eine betroffenere Antwort symphatischer gewesen. Ja betroffen, auch nach so langer Zeit. Ich stelle mir immer alles bildlich vor und bin Hochsensibel und beim Gedanken an den Holocaust hab ich zuerst das Bild der ausgehungerten Kinder und Erwachsenen in Sträflingskleidung hinter Stracheldraht im Kopf. - Von Siegmund kommt eine Antwort als würden wir übers Wetter reden. Und da er nicht dumm ist waren seine Worte gewählt und er wusste auch, dass er damit Aufruhr erzeugt. Eine gespielte Antwort. Wer weiss was er wirklich am liebsten geantwortet hätte? Das wärs: Jeder Politiker egal welcher Partei sollte an den Lügenbarometer oder besser hypnotisiert werden. Dann wüsste jeder die wahre Einstellung und ob die Politiker wirklich was fürs uns verbessern wollen oder z. B. aus Habgier im Bundestag sitzen. Natürlich nur Spinnerei von mir..🙈
Lg